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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
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feingliedrig. Die Hand eines Denkers und eines Ästheten.
    Sie zögerte noch einen Moment und berührte Adlers Hand länger, als
es für die Übernahme des Gegenstandes notwendig gewesen wäre. Dann fühlte sie
das Werkzeug in ihrer Rechten und wusste, dass es ein Leatherman war.
    »Und ich dachte, dein Werkzeugkasten sei nur mit Psychotricks
gespickt. Hast du vielleicht auch ein Aspirin gegen den Brummschädel?«
    »Nein, leider nicht. Aber zwei Wärmflaschen, Ohrenstöpsel und
Kondome mit Fruchtgeschmack.«
    Er schoss es so trocken heraus, dass Valentina für einen Moment
nicht wusste, ob er es ernst meinte. Dann lachte sie leise und tastete sich in
die Richtung, wo sich die Tür des Kabuffs befand.
    »Meinst du, sie steht noch mit der Bratpfanne vor der Tür?«, fragte
Adler.
    »Ich weiß nicht. So wie sie drauf ist, traue ich ihr alles zu.«
    »Wie ist sie denn drauf? Und warum? Hast du eine Ahnung, warum
Nicola mit einer Bratpfanne durch die Gegend läuft und Hinterköpfe klatscht,
als wären es Schmeißfliegen?«, fragte Adler.
    »Ich würde hier erst gerne raus, dann erzähle ich dir, was passiert
ist.«
    »Vielleicht würde es helfen, wenn ich es vorher wüsste, damit wir
hier überhaupt rauskommen. Könnte ja auch sein, dass sie ihre Pfanne gegen
einen Revolver ausgetauscht hat und nur darauf wartet, dass wir ihr vor den
Lauf kommen?«
    »Dann könnte sie auch reinkommen und uns abknallen.«
    »Falsch. Dann wäre sie Täterin und somit schuldig. Sie ist aber
Opfer. Wenn wir herauskommen, bedrohen wir sie, und sie fühlt sich genötigt,
sich zu wehren. Dann hat sie die Legitimation, uns abzuknallen.«
    »Unsinn. Sie hat keine Waffe.«
    »Wieso bist du dir da so sicher? Was weißt du von ihr, dass du das
so bestimmt behaupten kannst?«
    »Instinkt. Mein Instinkt sagt mir, dass sie keine Waffe besitzt.
Außerdem war sie schon in prekären Lagen, in denen sie sicherlich die Waffe
gezogen hätte, wenn sie denn eine gehabt hätte.«
    »Instinkt ist gut. Logik und psychodynamische Erwägung ist besser.
Noch besser aber sind Fakten. Du weißt doch, dass sie sich von Stefan bedrängt
fühlte. Du weißt auch, dass sie seit einigen Wochen bei mir in Behandlung ist.
Und mir hat sie gesagt, dass sie sich den Revolver ihres Vaters geklaut hätte
und nicht davor zurückschrecken würde, den dicken Stefan abzuknallen, wenn er
ihr zu nahe käme.«
    »Nennst du das Fakten? Seit wann sind Fakten, was jemand auf der
Couch erzählt? Vielleicht war es nur ihr Wunsch, einen Revolver zu besitzen.
Und der Revolver ihres Vaters, mein lieber Herr Freud, wenn das nicht ödipal
ist!«
    Adler lachte leise.
    »Du hast einen an der Klatsche. Du treibst mit mir hier deine
Spielchen, um mich zu testen. Du bist ein abgebrühtes Arschloch.« Valentina
ärgerte sich, dass sie Adler auf den Leim gegangen war. »Außerdem darfst du sie
gar nicht behandeln, wenn du ihr Professor bist.«
    »Entschuldige, aber es war wohl der Schlag auf den Hinterkopf, der
mich zu solchen Späßen treibt. Außerdem muss ich gestehen, dass ich es genieße,
mit dir eingesperrt im Dunkeln zu sitzen. Da ist es doch nur legitim, dass ich
ein wenig Zeit schinden will. Beinahe wünsche ich mir, dass sie tatsächlich
draußen mit dem Revolver ihres Vaters hockt und auf uns wartet. Das würde zwar
die Zeit mit dir verkürzen, aber die Qualität des Augenblicks erhöhen.«
    Valentina nahm die Schmeichelei unkommentiert entgegen und fragte
kalt: »Todestrieb?«
    »Nein, eher die Sehnsucht, ein Held zu sein. Ich würde mit ihr durch
die Tür hindurch verhandeln und sie davon überzeugen, dass es besser wäre, uns
am Leben zu lassen. So wie es die coolen Polizisten immer machen, wenn sie
Geiselnehmer davon überzeugen, dass es doch schlauer wäre, aufzugeben, anstatt
sich und andere zu ruinieren.«
    »Hör endlich auf mit dem Gequatsche, ich will hier raus.«
    »Weißt du übrigens, dass die Menschen solche Helden im Tiefsten
ihres Inneren hassen? Sie verehren sie nicht, sondern sie hassen sie. Weil sie
um ihr Spektakel gebracht wurden. Nichts ist gefährlicher als die enttäuschte
Erwartung der Masse.«
    »Und warum entlädt sie sich dann nicht? Ist die gesellschaftliche
Moral etwa so stark? Das wäre mir neu. Dann wären wir von der Polizei nämlich
arbeitslos.«
    »Sie entlädt sich nicht, weil die Masse durch die Tat des Helden
wieder zu einem Haufen Individuen wird. Der gemeinsame Fixpunkt hat sich
aufgelöst. Dadurch entspannt es sich. Der Frust hat sich aber nicht

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