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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
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aufgelöst,
der wird von den Einzelnen mit nach Hause getragen. Dort entlädt er sich dann
am Nachbarn, am Ehepartner oder am Kind.«
    »Also ist die Polizei schuld, dass Kinder von ihren Eltern geprügelt
werden? Nachbarn sich die Schädel einschlagen? Ehen zerbrechen? Nur weil sie
einen Menschen gerettet hat? Was soll der Blödsinn?«
    »Das ist kein Blödsinn, das ist eine These. Energie kann sich nicht
in Nichts auflösen, sie kann nur umgeleitet werden. Und wenn eine starke
Energiedichte entsteht, die verschleppt wird, gibt es Blockaden. Und Blockaden
führen zu pathologischen Mustern in ihrer Entladung.«
    »Danke für die Vorlesung. Können wir jetzt raus?«
    »Ich bin bereit, schon die ganze Zeit. Ich warte nur, dass du
endlich aktiv wirst, und wollte testen, ob du es fertigbringst, gleichzeitig zu
handeln und zu diskutieren.«
    »Du nervst gewaltig. Ich glaube, es ist Angstgeplapper, sonst nichts,
was da aus deinem Mund fällt.«
    »Du hast recht«, sagte Adler nun kleinlaut. »Ich habe tatsächlich
Angst. Es passiert mir nicht alle Tage, dass man mir mit der Bratpfanne eins
überzieht und mich in eine dunkle Kammer sperrt. Entschuldige bitte.«
    Valentina schwieg und wandte sich endlich dem Türschloss zu. Sie
stocherte mit der Messerspitze des Leatherman an der Nut der Schlossleiste und
hebelte das Holz frei, bis sich die Schrauben der Leiste allmählich lösten.
    »Brauchst du einen längeren Hebel?«, fragte Adler.
    »Geduld ist der längste Hebel«, antwortete Valentina und war selbst
überrascht, dass ihr diese Redewendung in den Sinn gekommen war. Don Bernardo
hatte es immer gesagt, wenn sie ungeduldig über einem neuen Musikstück gesessen
und kurz davor gewesen war, die Saiten von der Gitarre zu reißen. Damals war es
nur ein Küchensinnspruch gewesen, mit dem man kleine, hitzige Mädchen beruhigen
wollte. Jetzt wurde ihr zum ersten Mal die konkrete Bedeutung klar, und sie
musste lächeln.
    Die Leiste löste sich, Valentina legte den Leatherman zur Seite und
ruckelte nun vorsichtig mit den Händen an Holz und Stahl. Einige Holzstücke
bröselten auf die Erde, verursachten aber keinen Lärm. Endlich konnte sie die
Leiste herausziehen, die Tür war entriegelt.
    Sie gab Adler den Leatherman zurück und behielt selbst die
Metallleiste in der Hand. Vielleicht konnte sie als Waffe dienen.
    Leise öffnete sie die Tür. Das Tageslicht blendete ihr ins Gesicht.
Sie hielt inne.
    »Was ist? Warum gehst du nicht?«, fragte Adler leise.
    »Ich bin blind wie ein Maulwurf. Ich muss erst warten, bis meine
Augen sich an das Licht gewöhnt haben. Besser, du machst es genauso.«
    »Verstehe.«
    Es dauerte nicht lang, da war der Blendeffekt verflogen, und
Valentina konnte in Nicolas Schlafzimmer sehen. Es war niemand da. Die Tür ging
nach rechts auf und verdeckte dort einen Teil des Raums. Hier konnte sich
Nicola freilich verborgen haben, um aus dem Hinterhalt zuzuschlagen.
    Valentina stieß die Tür auf, hechtete sich einen Meter in den Raum
und rollte sich über die Schulter ab, sodass sie hinter dem Bett landete. Sie
kiebitzte rasch hinter dem Bett hervor, um den bisher von der Tür verdeckten
Raum zu sondieren. Nicola war nicht da.
    Adler streckte seinen Kopf aus dem dunklen Gefängnis und blickte
fragend zu Valentina. Sie bedeutete ihm mit der Hand, dass er noch bleiben
sollte, wo er war. Dann huschte sie aus dem Schlafzimmer, um den Rest der
Wohnung zu überprüfen.
    Der Korridor war leer. Die Küche ebenfalls. Auch im Salon war
niemand. Valentina checkte auch noch die drei anderen Zimmer, ehe sie ins Bad
trat und mit Erschrecken entdeckte, dass Nicola in ihrem japanischen
Morgenmantel in einer mit blutrotem Wasser gefüllten Wanne lag und der Ewigkeit
entgegenzuschlafen schien. Der linke Arm hing über den Wannenrand, aus der
Schlagader tropfte noch Blut. Ein leeres Döschen, das wohl einmal mit
Schlaftabletten gefüllt gewesen war, lag daneben.
    »Martin!«, rief Valentina laut durch die Wohnung. »Ruf einen
Notarzt!«
    Adler stand schneller neben Valentina, als sie gedacht hatte. Er
hatte wohl doch nicht so ruhig in seinem Versteck gewartet.
    »Es war vorauszusehen«, sagte er mit der Trockenheit eines
Wissenschaftlers. »Ein klassischer Fall. Füllt Hunderte von Statistiken. Das
Paradoxe ist, dass wir es zwar immer voraussehen, aber nichts daran ändern
können. Die Psychologie ist ein erbärmlicher Krückstock, findest du nicht?
Wirklich helfen können wir nie. Am Ende liegt die Macht doch immer

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