Lost Princesses 01 - Der Lord Und Die Rebellin
verkaufen die Cremes, in deren Herstellung mich Großmutter unterwiesen hat. Und diese Cremes sind wirklich königlich, und sie wirken tatsächlich Wunder an der Haut und vermögen...«
»... niemanden wirklich schön zu machen. Wenn sie das täten, müsste ich mich nämlich nicht vierzehn Tage vor dir in jede Stadt schleichen und eine falsche Nase und weißen Puder tragen.«
»Aber sie gibt den Frauen für eine Weile Hoffnung. Das ist doch nichts Schlimmes, oder?«, meinte Clarice eindringlich.
»Diese Leute in England«, antwortete Amy mürrisch, »die dich am höchsten Galgen aufknüpfen wollten, scheinen das anders zu sehen.«
»Das war nur dieser schreckliche Mann.« Clarice hob das Kinn. »Dieser Richter.«
Jetzt brauchte Amys Teint weder Puder noch etwas anderes, um ihre Furcht zu verdeutlichen. Sie senkte die Stimme,
als fürchte sie, dass man sie belauschte, und fuhr auf Italienisch fort: »Er begehrte dich.«
»Ich weiß.« Clarice betrieb eine Gratwanderung. Die Frauen wollten ihre Cremes, aber deren Ehemänner verwalteten die Portefeuilles, also musste sie beide Seiten umschmeicheln und hofieren. Gleichzeitig jedoch durfte sie nie die schmale Grenze überschreiten, die eine Lady von einem gefallenen Mädchen trennt.
Manchmal erkannten Männer diese Grenze nicht, sondern sahen nur eine attraktive junge Frau, die ohne den Schutz eines Mannes lebte. Das machte sie zu einer leichten Beute, und Richter Fairfoot hatte mehr als einen Grund, ihren Tod zu wollen. Sie hatte seinen Stolz in jeglicher Hinsicht verletzt, und selbst jetzt noch sah sie in ihren Albträumen die grauen Türme der Feste von Gilmichael in den blutroten Himmel aufsteigen, die nur darauf warteten, sie ganz und gar zu schlucken und nie wieder freizugeben.
»Und hier verfolgt dich noch ein grässlicher Mann!«, meinte Amy.
»Ist er denn so grässlich?« Hepburn wirkte gar nicht so fürchterlich auf sie, was es in gewisser Weise noch viel schlimmer machte.
»Sie sind alle grässlich.« Amy packte Clarice an ihrem Revers und senkte ihre Stimme zu einem eindringlichen Flüstern. »Was willst du gegen ihn unternehmen?«
»Das weiß ich nicht«, flüsterte Clarice. »Ich weiß es wirklich nicht. Deinem Brief hatte ich entnommen, dass er älter ist. Viel älter. In deiner Beschreibung klang er so grimmig.«
»Er ist grimmig!« Mit einem kurzen Seitenblick zur Tür fuhr Amy fort: »Man sagt zwar, dass Hepburn ein schöner Mann wäre, aber er hat mit seinem Vater gestritten, und der alte Earl hat ihm ein Offizierspatent gekauft und ihn
gezwungen, in den Krieg zu ziehen. Sechs Jahre später ist der alte Earl gestorben. Lord Hepburn hat sich aus dem Dienst freigekauft, sein Patent verkauft und ist zurückgekommen. Die Leute im Dorf munkeln, dass er sich verändert hätte.«
»Wie verändert?«
»Er war ein junger Mann, ein Draufgänger, der nicht vor einem Kampf zurückscheute, nächtelang durchgetrunken hat und immer lachte. Jetzt... jetzt ist er so, wie du ihn gesehen hast. Die Leute in der Ortschaft bewundern ihn, aber wenn sie über ihn sprechen, schwingt immer ein furchtsamer Unterton in ihrer Stimme mit.«
Ja, das hatte Clarice bereits gespürt. Er war ein privilegierter Mann, und dennoch verbarg er Geheimnisse in seiner Seele. Dadurch waren sie sich ähnlich.
Aber Clarice wollte ihn und seine Geheimnisse nicht kennen lernen.
»Sei vorsichtig«, sagte Amy, als hätte sie Clarice’ Gedanken gelesen.
»Warum?« Die Frage kam etwas zu schnell.
»Er lebt nicht in dem Herrenhaus bei seiner Familie.«
»Wirklich nicht?« Das war niederschmetternd für Clarice. Sie hätte vermutet, dass ihm viel an seinem Heim und seinem angestammten Platz dort lag. »Wo lebt er denn?«
»In einer Kate in der Nähe des Besitzes. Er geht zum Frühstück ins Herrenhaus und benimmt sich tagsüber auch recht normal, aber man behauptet, dass er des Nachts über das Gelände schlendert wie ein von bösen Geistern Getriebener, und manchmal verschwindet er sogar tagelang.« Amy senkte ihre Stimme, als grause ihr vor ihrer eigenen Geschichte. »Man sagt, er hätte im Krieg den Verstand verloren.«
»Ach, pah! Verrückt ist er sicher nicht.«
»O doch. Verrückt und gefährlich. Hast du gesehen, wie er dich angestarrt hat?«, flüsterte Amy.
Clarice antwortete mit gut gespielter Sorglosigkeit. »Sie sehen mich alle so an.«
»Nicht so. Er ist zu... viel zu selbstsicher.« Amy betrachtete Clarice mit einer Weisheit, für die sie eigentlich noch viel zu
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