Lost Princesses 01 - Der Lord Und Die Rebellin
hatte. Er hatte sich davon überzeugt, dass sein weißes Leinenhemd glänzte und sein dunkler Anzug an den Schultern perfekt saß.
Dabei hatte er sich einen Moment gestattet, seinen muskulösen Körper zu bewundern. Gräfin DuBelle behauptete immer, dass er ein Prachtkerl von einem Mann war. Er musste zugeben, dass die Gräfin Recht hatte.
Königin Claudia blieb vor ihrer jüngsten Enkelin stehen. »Amy, zeig mir deine Fingernägel.«
Zögernd streckte Amy ihre Hände aus.
Königin Claudia musterte die ausgestreckten Handflächen der Prinzessin sorgfältig und prüfte dann die Fingernägel. »Besser«, befand sie. »Sie sind sauber. Aber eine Prinzessin kaut nicht auf den Fingernägeln herum. Vergiss nicht, dass deine Hände und jeder Teil deiner Person das gesamte Königshaus von Beaumontagne repräsentieren. Alles, was du tust und sagst, wird auf die Goldwaage gelegt und muss daher über jeden Tadel erhaben sein.«
Die sechsjährige Amy war ein Kobold. Ihr Haar war so schwarz wie das von Rainger, und sie war ehrlich und aufrichtig, was ihr selbst Königin Claudia bislang nicht hatte austreiben können. »Aber Großmutter, ich kaue gern auf meinen Fingernägeln herum. Ich will keine Prinzessin sein, wenn ich damit aufhören muss.«
Als Amys scharfsinnige Antwort durch den Thronsaal hallte, musste Rainger unwillkürlich grinsen.
Clarice legte die Hand über die Augen. »Großmutter«, sagte Sorcha ernst, »Amy hat das nicht so gemeint. Sie ist doch erst sechs.«
Sorcha war zwölf, hatte rotes Haar wie frisch geprägte Kupfermünzen und war freundlich und sanft. Raingers Meinung nach hatte Königin Claudia ihren Mutwillen durch ihre ständigen Lektionen über königliche Pflichten erstickt. Das war sehr schade, weil Sorcha und er, Rainger,
einander versprochen waren. Er vermutete, dass er sich nach kaum einem Jahr Ehe bereits langweilen würde.
Königin Claudia warf ihrer ältesten Enkelin einen eisigen Blick zu. »Ich weiß, wie alt Amy ist. Solche Meinungsäußerungen sind zu keinem Zeitpunkt angemessen.« Sie richtete den Blick ihrer frostigen Augen auf Amy, bis das kleine Mädchen unbehaglich zappelte. »Diese Ehre, die du so bereitwillig abzulegen bereit bist, wird nur einigen wenigen Privilegierten gewährt, und eine richtige Prinzessin sollte jederzeit bereit sein, ihr Leben ihrem Land und ihrer Familie zu widmen. Im Vergleich zu einem solchen Anspruch scheint es mir ein Leichtes, schlechte Gewohnheiten wie Nägelkauen aufzugeben.«
Amy grub ihren Zeh in den dicken roten Teppich, der zum Thron hinaufführte. »Dann bin ich eben wohl keine richtige Prinzessin«, murrte sie.
Clarice unterdrückte ein ersticktes Lachen.
Königin Claudia drehte sich zu der elfjährigen Clarice herum. Ihr blonder Lockenschopf umspielte ihr wunderschönes Gesicht. Die Nasenflügel der Königin bebten, als sie erklärte: »Du wirst sie in ihrer Anmaßung nicht auch noch bestärken!«
»Nein, Großmutter.« Aber Clarice’ Augen funkelten immer noch, und sie rammte Sorcha den Ellbogen in die Seite.
Die Kronprinzessin zwickte sie.
Königin Claudia stieß ihren Krückstock auf den Boden.
Die Prinzessinnen zuckten zusammen und standen stramm.
Seitdem die Mutter der Mädchen vor vier Jahren gestorben war, kontrollierte Königin Claudia alle Lebensbereiche
der drei Prinzessinnen, und sie war dabei so streng und humorlos, dass Rainger sicher war, dass sie selbst niemals jung gewesen sein konnte.
»Amy, ich werde dir eine Salbe in dein Schlafgemach senden, die du dir jeden Morgen und Abend auf die Nägel schmieren wirst«, erklärte Königin Claudia. »Das wird dich von dieser Gewohnheit heilen und dich außerdem lehren, dich gefälligst zu benehmen.«
Amy antwortete in einer Art ergebenem Sing-Sang. »Ja, Großmutter.«
Jetzt richtete Königin Claudia ihre Aufmerksamkeit auf Clarice. »Da dich dieses Thema anscheinend amüsiert, wirst du mir helfen, die Salbe zuzubereiten.«
Clarice’ Miene verdüsterte sich. »Ja, Großmutter.«
»Im Lauf der Geschichte wurde jede Prinzessin von Beaumontagne in der Herstellung der geheimen königlichen Schönheitsrezepturen unterrichtet. Sorcha kennt sie. Es scheint Zeit, dass du, Clarice, ebenfalls...« Königin Claudia beugte sich vor und holte tief Luft. »Nehme ich da etwa den Geruch von Pferd wahr?« Ihre Stimme klang zutiefst entsetzt.
Clarice zuckte zurück. »Der französische Botschafter hat Papa den schönsten Araberhengst mitgebracht, den ich jemals gesehen habe. Ich habe
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