Lost Princesses 02 - Ketten Der Liebe
mitteilen, dass wir Sie töten müssen, wenn er nicht zahlt.«
Dieses unverfrorene junge Weibsstück lehnte mit ihrer Hüfte an dem langen, zerkratzten Eichentisch und grinste Jermyn frech an.
Und er wusste auch, warum. Sein Gesichtsausdruck musste unvergleichlich sein. »Mich töten?« Jermyn konnte seinen Schreck kaum in Worte fassen. »Sie wollen mich umbringen?«
»Aber keineswegs, mein Lieber!« Miss Victorine sah ihn mit krauser Stirn missbilligend an, als wäre er derjenige, der verrückte Dinge von sich gab. »So weit brauchen wir nicht zu gehen. Ich bin mir sicher, dass Ihr Onkel das Geld schnell bereitstellt. Dann sind Sie bald wieder auf freiem Fuß.«
»Sie haben mich gekidnappt. Und jetzt verlangen Sie Lösegeld!« Jermyn begriff die Tatbestände. »Und Sie erwarten, dass Onkel Harrison eine Auslösesumme zahlt?«
»Ja, mein Lieber, das glauben wir.«
»Das ist doch die Höhe!«, rief er.
»Das hätten wir alles nicht zu machen brauchen, wenn Sie mir nicht meine Maschine für die Perlstickerei gestohlen hätten. Spitze mit Perlstickerei ist im Augenblick sehr in Mode. Ich möchte behaupten, dass man zurzeit keine Dame in den Straßen Londons sieht, die nicht Perlstickereien an ihrem Retikül, ihrem Mieder oder den Armelaufschlägen hat.«
»Ja, Spitze mit Perlstickerei ist der letzte Schrei«, grummelte er. Diese dämlichen farbigen Glasperlen verhakten sich immer an den Knöpfen der Männer. Miss Mistlewit hatte dicht an seinem Ohr aufgeschrien, als er sich ein wenig zu ruckartig aus ihrer Umarmung löste, sodass die winzigen Perlen sich auf dem Gartenweg verteilten. Er hatte sich glücklich schätzen dürfen, dass er sich davonstehlen konnte und der reizenden, aber dummen Debütantin keinen Heiratsantrag zu machen brauchte.
»Und ich habe eine Maschine erfunden, die die Glasperlen auf der Spitze anbringt. Das war meine Idee, meine Erfindung, und Sie haben sie mir entwendet.« Miss Victorine schnalzte mit der Zunge. »Das war ungehörig. Sie verfügen bereits über ein beträchtliches Vermögen, aber das Dorf ist in Not. Wenn Sie sich um Ihre Leute kümmern würden, dann würden Sie einsehen, dass man den Dorfbewohnern mehr zugestehen darf, als ein kärgliches Dasein zu fristen.« Ihre Stimme zitterte leicht, als Miss Victorine ihren Standpunkt vertrat. Mit ihren trüben Augen sah sie ihn tadelnd an. »Ich bin nicht gern streng, aber ich muss Ihnen sagen, dass Ihr Vater es niemals so weit hätte kommen lassen.«
»Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie sprechen«, entgegnete er. Ihre Worte ergaben einfach keinen Sinn.
»Natürlich nicht.« Die junge Frau baute sich in angemessenem Abstand vor ihm auf und besaß die Frechheit, ihn mit einem verächtlichen Blick zu strafen. »Sie haben wahrscheinlich schon so viele Erfindungen gestohlen, dass Sie gar nicht mehr wissen, was Sie getan haben. Und es freut Sie vermutlich auch noch, wenn Sie sich vorstellen, wie eine nette alte Dame in einem heruntergekommenen Haus lebt und nur Haferschleim äße, wenn ihr die Nachbarn nicht ab und an einen Fisch vorbeibrächten.«
Verflucht, was war sie doch für ein unverschämtes Stück! Er war im Begriff, die Stimme zu erheben, aber da hatte Miss Victorine wieder das Wort ergriffen. Irgendetwas in ihrem Tonfall ließ ihn verstummen.
»Meine Lieben, ihr braucht euch nicht gleich zu streiten.« Sie wandte sich der jungen Frau zu. »Amy, ich möchte nicht, dass Sie mein Missgeschick vor diesem Mann ausbreiten, als wäre ich eine bemitleidenswerte alte Frau. Das bin ich nämlich nicht. Ich habe ein Dach über dem Kopf, und das ist mehr, als manch eine alte Jungfer besitzt.«
Amy - dieses unverfrorene Geschöpf hieß also Amy -erwiderte: »Streng genommen gehört das Haus ihm. Er könnte Sie von jetzt auf gleich vor die Tür setzen. Aber das Haus fällt ja ohnehin bald in sich zusammen.«
»Genug jetzt!«, ließ Miss Victorine sich mit Nachdruck vernehmen.
»Ja, Ma’am«, gab Amy kleinlaut nach.
Jermyn kam sich plötzlich wie ein elfjähriger Junge vor und sah die junge Frau voller Schadenfreude an. Beinahe hätte er ihr noch frech die Zunge rausgestreckt.
»Und was Sie betrifft, junger Mann ...«
Miss Victorines Tonfall ließ ihn aufhorchen.
»Sie essen jetzt Ihr Frühstück.« In ihrem aufmunternden Lächeln glaubte er die freundliche alte Dame von früher zu erahnen. »Ich habe Ihnen Scones gebacken, und das sind die Besten in ganz England. Wissen Sie das nicht mehr?«
»Doch.« Er war zwar versucht, die
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