Lost Vampire - Das Ende der Welt
verschwörerischen Tonfall. „Du hast zu viel Energie für dieses verschlafene Nest und kein Ventil, um sie loszuwerden. Du hast einen Freund, mit dem du dich austoben könntest, aber er ist zu vorsichtig und zu feige, den Vampir rauszulassen. Ich bin wahrscheinlich der einzige in ein paar hundert Kilometern Umkreis, dem Zweifel, Sicherheitsnetze und doppelte Böden vollkommen gleichgültig sind.“
Sie hielt inne. So ungern Ever es sich eingestand, hatte Sam nicht ganz Unrecht. Sie hatte George sehr gern, liebte ihn sogar, wenn sie ehrlich mit sich selbst war. Doch der Vampir beabsichtigte alles Unheil der Welt von ihr fernzuhalten, so kam es ihr manchmal vor, und sie war nicht sicher, ob sie das überhaupt wollte. Sie musterte den Dämon.
„ Was schlägst du vor?“
Es begann als eine Jagd durch die Wüste außerhalb von Torch Creek, ganz ähnlich wie ihr zweites Zusammentreffen mit George. Das Gefühl jedoch war ein vollkommen neues. Jetzt war Ever schneller und gewandter als damals. Erst war sie etwas vorsichtiger und dachte, dass Sam sie nach einer kurzen Demonstration ihrer Fähigkeiten in Frieden nach Hause gehen lassen würde.
Doch er war Feuer und Flamme für ihren gemeinsamen Spurt. Seine Bewegungen waren nicht blitzartig und unvorhersehbar wie Georges übernatürliche Reflexe, sondern zeugten von einer rohen Gewalt, mit der er sich verausgabte, um hinter ihr herzukommen. Der Dämon johlte, schrie und feuerte sie an, während er versuchte aufzuholen. Er scherte sich nicht um raffinierte Routen oder den einfachsten Weg. Stattdessen durchbrach sein Körper alles, was ihm im Weg stand, ganz gleich ob alte Autowracks oder Felswände. Die blonde Gestalt war wie ein bläulich glühender Blitz in ihrem Augenwinkel, egal wie sehr sie sich anstrengte, ihn abzuhängen.
Sie sprang von einem langbeinigen Präriehund zu einem wuchtigen Bären mit der Mühe, die sie brauchte, um sich eine Dose Coke aus dem Kühlschrank zu holen. Sie spürte die unterschiedliche Masse und Kraft ihres Körpers im Laufe der Verwandlung. Sie faszinierten die Sprünge, welche ihre Gedanken durchliefen, um sich den physikalischen Formen so schnell anzupassen wie sie die Gestalten durchschritt. Sie wandelte mitten im Lauf die Gestalt zu nichts als einem rohen Felsbrocken und ließ sich einen Abhang hinab rollen, dessen raue Oberfläche sich an ihrer undurchdringlichen Haut rieb.
Dann nahm das Spiel zwischen ihr und Sam eine Wendung, die sie sich später nur mit der Spannung des Moments erklären konnte.
„ Kann kaum erwarten, bis du wieder Mensch bist, um ein bisschen nackte Haut zu sehen“, hörte sie ihn hinter sich brüllen und die Gier in seiner Stimme legte einen Schalter in ihrem Kopf um. Sie bremste abrupt ihren hastigen Lauf und verwandelte sich in ihre ursprüngliche Gestalt, um den Dämon mit einem harten Schlag ins Gesicht anzuhalten. Ihre Faust wog so viel wie das Bücherregal, das einmal mit fünf Jahren auf sie gefallen war und Sam überschlug sich von der Wucht ihres Treffers.
„ Es nennt sich eine holistische Aura, du Bastard“, korrigierte sie verbissen und klopfte sich den Staub aus der Kleidung. Sie fühlte sich nicht einmal wirklich wütend, doch es tat gut. Sam kam lachend wieder auf die Beine und hielt sich den Kiefer.
„ Das war grandios!“, verkündete er und knackte mit dem Nacken. „Unglaublich! Was kannst du noch?“
Die Nacht wurde lang und führte den Dämon und die Gestaltwandlerin fast bis zum Sunset Crater und zurück, bis langsam die Sonne aufging. Irgendwo auf dem Weg verlor Ever den Überblick darüber, in was oder wen sie genau ihre Gestalt wandelte. Es spielte keine Rolle mehr. Die Grenzen verschwammen. Sie spürte Holz, Fell, Stahl, Schuppen und Gefieder. Plötzlich war der Wind in ihren Flügeln, während sie den blauen Blitz unter sich zischen sah.
Irgendwann bekamen sie Heißhunger und machten Halt an einer winzigen Tankstelle inmitten der Wüste. Sie war zu durcheinander, um sich an ihre menschliche Gestalt zu erinnern, doch der Dämon versprach ihr, gleich mit einem Snack zurück zu sein.
„ Manchmal denke ich, dass ich keine Ahnung habe, wer ich bin“, erklärte sie ihm, während er sie mit einem Schokoriegel fütterte und selbst einen großen Schluck aus einer Dose Bier nahm. „Dass ich irgendwie noch nicht fertig geformt bin. Ungebrannter Ton. Ich muss noch herausfinden, was ich sein will und habe dabei mehr Mitspracherecht als die meisten anderen Wesen.“
„ Wir
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