Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Büchlein, das Rhein- und Mainheft über den {313} Hergang der Kunst durch die dunkle Zeit für sich in Anspruch nehmen und deine Ernte geschwinde ausdreschen, um mit den Strohbündeln im patriotischen Erntefest einherzustolzieren. Laß sie, sie wissen nichts von Freiheit. Die Existenz aufgeben, um zu existieren, das Kunststück will freilich gekonnt sein; gehört mehr dazu als »Charakter«, gehört Geist dazu und die Gabe der Lebenserneuerung aus dem Geist. Das Tier ist von kurzer Existenz; der Mensch kennt die Wiederholung seiner Zustände, die Jugend im Alten, das Alte als Jugend; ihm ist gegeben, das Gelebte noch einmal zu leben, geistverstärkt, sein ist die erhöhte Verjüngung, die da der Sieg ist über Jugendfurcht, Ohnmacht und Lieblosigkeit, der todverbannende Kreisschluß …
Bracht er mir alles, der gute Sulpiz, in seiner Artigkeit und lieben Erfülltheit, bloß gemeint, mich vorzuspannen, – wußte nicht, was er mir alles brachte und nicht hätte bringen können, hätt nicht die Lampe der Flamme geharrt, die sie entzündet, wär ich nicht in Bereitschaft gewesen für die Intervention, mit der so Vieles begann, die mehr in die Wege leitete, als bloß das alt-deutsche Büchlein. Anno eilf war er hier bei mir, und Jahr für Jahr darauf kam die Hammer'sche Übersetzung mit der Vorrede über den von Schiras, kam das Geschenk der Begeisterung, das spiegelnde Wiedererkennen, das heiter-mystische Traumspiel der Metempsychose, gehüllt in Jahrtausendgeist, den der Timur des Mittelmeers, mein düster-gewaltiger Freund erregte, – die Vertiefung kam in die Jugend der Menschheit – Glaube weit, eng der Gedanke –, die fruchtende Fahrt hinab zu den Patriarchen und die andere Reise dann, ins Mutterland, angetreten in vorwissender Bereitschaft: Doch wirst du lieben, – es kam Marianne. Braucht er nicht zu wissen, wie alles zusammenhängt, sag ihm nicht, wies mit seinem Kommen begann vor fünf Jahren, wär auch nicht recht, tät ihm was in den Kopf setzen, war nur ein Instrument und ein Vor {314} spann selbst, da er mich vorspannen wollt in aller Ergebenheit. Wollt eines Tages sogar bei mir schreiben lernen, damit er besser könnt seine Sache propagieren, und hatte sichs in den Kopf gesetzt, den Winter in Weimar zu leben, daß er mirs abgucke und sich zum Schreiben Rats hole bei mir. Laßt das, Freund, sagt ich, meine Heiden da machen mirs, der ich doch selbst ein Heide bin, oft zu arg. Wär nichts für euch, würdet bloß auf mich reduziert sein, und das wär zu wenig, denn ich kann nicht allezeit mit euch sein. War ein Liebeswort. Gab ihm solche wohl mehr. Lobte seine kleinen Beschreibungen und sprach: Gut sind sie und recht, denn sie haben den Ton, und der ist immer die Hauptsach. Ich könnts wahrscheinlich nicht halb so gut, weil ich den frommen Sinn nicht habe. Und dann las ich ihm aus der Italienischen Reise, wo ich den Palladio gepriesen nach Herzenslust und das Deutsche vermaledeit mit Klima und Architektur. Hatt er Thränen in den Augen, der Gute, und ich versprach ihm flugs, die wütige Stelle zu streichen, damit er sähe, was für ein braver Kerl ich sei. Hab ich doch ihm zu Gefallen auch aus dem Divan die Diatribe weggelassen aufs Kreuz; das Bernsteinkreuz, die westlich-nordische Narrheit. Zu bitter fand ers und hart und bat um Verwerfung. Gut, sagt ich, weil ihr es seid, solls außenbleiben. Ich wills meinem Sohn geben, wie manches sonst, womit ich die Welt hätte vor den Kopf gestoßen. Der verwahrt es mit Pietät, so laß ich ihm den Spaß, und ist eine Auskunft zwischen Verbrennen und vor den Kopf stoßen … Aber er liebt' mich auch – war so glücklich über meine Teilnahme an seinen frommen Scharteken, nicht nur um seiner Sache, nein, auch um meinetwillen. Ein Zuhörer comme il faut, – wie war er angemutet von der kürzesten Nacht und dem Liebeschnaufen Auroras nach Hesperus, da ichs ihm las zu Neckarelz auf der Reise im kalten Zimmer. Treffliche Seele! Hat mir über die Verwandtschaft des Divan mit Faust die hübschesten, instinktivsten Dinge gesagt und war allerwege {315} ein guter Reisegefährte und -Vertrauter, dem man sich gern eröffnete im Wagen und bei der Einkehr über die Geschichten des Lebens. Weißt du die Fahrt von Frankfurt nach Heidelberg, wo du ihm von Ottilien sprachst bei erscheinenden Sternen, wie du sie lieb gehabt und um sie gelitten, und geheimnisvoll faseltest vor Kälte, Excitation und Schläfrigkeit? Ich glaube, er hat sich gefürchtet … Schöne Straße
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