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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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nicht, Ew. Excellenz. Kommt aber doch auf den Geist und Sinn an, worin man jemanden an der Nase faßt, und Ew. Excellenz können versichert sein –«
    »Na, schon gut, ich hab's lieber eigenhändig. Ist ja auch bei mir von einem Tage zum andern nicht gar viel vorfindig. Sorg' aber fürs Haar, ich will's gepudert, und auch ums Eisen magst du es hier und hier ein bischen legen, man ist ein ganz anderer Mensch, wenn das Haar aus der Stirn und den Schläfen ist und seinen Sitz hat, da ist die Fregatte erst klar zum Gefecht, ist der Kopf erst klar, denn zwischen Haar und Hirn, da gibts Relationen, ein ungekämmt Hirn, was soll das taugen. Weißt du, {320} am adrettesten war's doch in der Frühzeit, mit Cadogan und Haarbeutel, davon weißt du nichts mehr, bist gleich in die Epoche des Schwedenkopfes hineingeplatzt, aber ich komm' weit her, hab' mich durch soviel Läufte hindurchgeschlagen, den langen, den kurzen Zopf mitgemacht, die steifen, die schwebenden Seitenlocken – man kommt sich vor wie der Ewige Jude, der durch die Zeiten wandert, immer derselbe, indes ihm, er merkt's kaum, die Sitten und Trachten am Leibe wechseln.«
    »Muß Ew. Excellenz gut gelassen haben, das gestickte Kleid dazumal, der Zopf und die Ohrrollen.«
    »Ich will dir sagen: es war eine nette, schicklich gebundene Zeit, und Tollheit war mehr wert auf dem Hintergrunde, als heutzutag. Was ist denn die Freiheit auch, sag', wenn sie nicht Befreiung ist. Ihr müßt auch nicht glauben, daß es damals kein Menschenrecht gab. Herren und Knechte, nun ja, aber das waren Gottesstände, würdig ein jeglicher nach seiner Art, und der Herr hatte Achtung, vor dem, was er nicht war, vorm Gottesstande des Knechtes. Insonderheit weil in den Zeiten die Einsicht noch mehr verbreitet war, daß man, ob vornehm oder gering, das Menschliche immer ausbaden muß.«
    »Na, Ew. Excellenz, ich weiß nicht, am Ende hatten wir Kleinen doch mehr auszubaden, und ist immer sicherer, daß man's nicht gerad' so ankommen läßt auf die Achtung des großen Gottesstandes vorm kleinen.«
    »Sollst recht haben. Wie willst du, daß ich mit dir streite? Du hast mich, deinen Herrn, unter dem Kamm und unter dem heißen Eisen und kannst mich zwicken und brennen, wenn ich dir opponier', so halt' ich klüglich den Mund.«
    »Haben gar feines Haar, Ew. Excellenz.«
    »Du meinst wohl: dünn.«
    »Bah, dünn fängt's grad' nur erst an über der Stirn ein bischen zu werden. Ich meine: fein, das einzelne; ist ja seidenweich, wie sonst bei Mannsbildern selten.«
    {321} »Auch gut. Bin aus dem Holz, aus dem Gott mich geschnitzt hat.«
    Gleichmütig-mißmutig genug gesagt? Unbeteiligt genug an meinen natürlichen Eigenschaften? Parucchieri müssen immer schmeicheln, und der Mann nimmt die Gewohnheiten des Standes an, dessen Hantierung er eben übt. Will meiner Eitelkeit Zucker geben. Denkt wohl kaum, daß auch Eitelkeit verschieden Format hat und verschiedenen Impetus, daß sie tiefe Beschäftigung, ernstlichst nachdenkliche Selbstbeschaulichkeit, autobiographischer Furor sein kann, insistenteste Neugier nach dem Um und Auf deines physisch-sittlichen Seins, nach den weitläufig-verschlungenen Wegen und Dunkel-Laborationen der Natur, die zu dem Wesen führten, das du bist, und das die Welt bestaunt, – also daß ein Schmeichelwort wie seines, unsre kreatürliche Beschaffenheit berührend, nicht als leichter, oberflächlicher Ich-Reiz und Kitzel wirkt, wie er meint, sondern als herzaufstörende Anmahnung glücklich-schwersten Geheimnisses. Bin aus dem Holz, aus dem Natur mich schnitzte. Punktum. Bin wie ich bin und lebe, des Wortes gedenk, daß wir unbewußt stets am Weitesten kommen, frisch ins Blaue. Schon recht, schon brav. Und all das inständig autobiographische Betreiben? Stimmt nicht just zum resoluten Prinzip. Und wills auch dem Werden nur gelten, der didaktischen Darweisung, wie ein Genie sich bildet, (was auch schon scientifische Eitelkeit,) so liegt doch immer die Neugier zum Grund nach dem Stoff des Werdens, dem Sein, das ein Gewordensein auch und weither kommendes Lebensergebnis. Denken die Denker doch über das Denken, – wie sollte der Werkende nicht über den Werker denken, wenn wieder Werk daraus wird und wohl einmal all Werk nur hoch-eitle Vertiefung sein mag ins Phänomen des Werkers, – ein egocentrisch Werk? – Fein-feines Haar. Da liegt meine Hand auf dem Pudermantel. Paßt zum fein-feinen Haare garnicht, ist kein schmal-vergei {322} stigt Edelpfötchen, sondern breit und

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