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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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gute Sache das ist, die Kapitulation, wenn sie Eroberung ist, und die Unterwerfung, wenn sie die Freiheit schenkt, weil sie aus Freiheit geschieht. Sagt ich dem Sulpiz. Dankt es ihm, daß er gekommen war in aller festen, bescheidenen Freundlichkeit, mich zu gewinnen – mich vorzuspannen, versteht sich, dazu kommen sie alle – seinen Plänen mit der Vollendung des Doms von Cöln. Gab sich alle Müh, mich die eigene vaterländische Erfindung des altdeutschen Bauwesens sehen zu lassen, und daß die Gothik mehr gewesen, als die Frucht der verfallenen römischen und griechischen Architektur.
    {311} Hier soll meist das Fratzenhafte,
    Das ein düstrer Wahnsinn schaffte,
    Für das Allerhöchste gelten.
    Macht aber seine Sache so geschickt und gescheit, der Junge, so bestimmt und artig, und kam alles bei ihm bei aller Diplomatie aus solcher Redlichkeit, daß ich ihn lieb gewann – und seine Sache gleich mit. Ist ja so schön, wenn der Mensch eine Sache hat, die er liebt! Macht ihn selber schön – und sogar die Sache – selbst wenns eine Fratze. Muß ich doch in mich hineinlachen, wenn ich denk, wie wir bei seinem ersten Besuch, anno 11, hier miteinand laborierten, über seine niederrheinischen Kupfer gebückt, die Straßburger und Cölnischen Risse und des Cornelius Illustrationen zum Faust, und uns Meyer erwischt bei so fragwürdigem Geschäft. Kommt herein, guckt auf den Tisch, und ich ruf: Da sehen Sie einmal, Meyer, die alten Zeiten stehen leibhaftig wieder auf! Der wollt seinen Augen nicht trauen, womit ich mich abgab. Murrt und murmelt Mißbilligung über das Fehlerhafte, das der junge Cornelius aus dem altdeutschen Stil fromm übernommen und sieht mich groß an ein übers andere Mal, da ich gleichgültig darüber hingehe, den Blocksberg, Auerbachs Keller lobe und die Bewegung von Faustens Arm, wie er ihn der Kleinen bietet, einen guten Einfall nenne. Ist vollends verblüfft und schnappt nach Luft, da ers erlebt, daß ich die christliche Bau-Barbarei nicht vom Tische fege, sondern die Grundrisse der Türme denn doch erstaunlich finde und mich zur Bewunderung verstehe der Großheit der Pfeilerhalle. Lenkt ein, knurrt, nickt, sieht die Risse an, sieht mich an, gibt zu, macht den Polonius – It is back'd like a camel – – Ein Anhänger, ein im Stich gelassener, verratener Anhänger. Gibts etwas Lustigeres, als den Verrat an den Anhängern? Ein Vergnügen, diebischer, als dies, ihnen zu entkommen, sich von ihnen nicht festhalten zu lassen, sie zum Narren zu haben, – {312} einen größeren Spaß, als ihre offenen Mäuler, wenn man sich selbst überwindet und die Freiheit gewinnt? Die ist freilich leicht mißzuverstehen, mag wohl aussehen, alsob man damit auf die falsche Seite geriete, und die Frömmler glauben, man frömmle mit ihnen, da uns doch nur auch das Absurde freut, wenn wir uns drüber aufklären. Narrheiten sind interessant, und es soll einem nichts unzugänglich sein. Wies denn wohl eigentlich mit den neuen katholisch gewordenen Protestanten sei, hab ich den Sulpiz gefragt; das möcht ich näher kennen, ihren inneren Weg, und wie sie denn so dazu kommen. Meint er: Viel hat da Herder getan und seine Philosophie der Geschichte der Menschheit, aber die Gegenwart auch, die welthistorische Richtung – Nun, das sollt ich kennen, das ist was Gemeinsames, ist immer was Gemeinsames da, auch mit den Narren, nur nimmt sichs verschiedentlich aus und zeitigt Verschiednes. Die welthistorische Richtung – Throne bersten, Reiche zittern – darauf sollt ich mich auch verstehen, das ist mir, irr ich nicht, auch ins Leben gefahren, – nur schenkts dem Einen den Jahrtausendgeist, macht ihn vertraut mit der Größe, den Andern macht es katholisch. Hat freilich auch mit der Tradition zu tun, der Jahrtausendgeist, wer sich auf die nur verstünde. Wollen die Tradition mit Gelehrsamkeit und Historie stützen, die Narren, – als wär das nicht gegen alle Tradition! Die nimmt man an, und dann gibt man von vornherein etwas zu, oder man nimmt sie mit nichten an und ist ein rechter kritischer Philister. Aber die Protestanten (sagt ich zum Sulpiz) fühlen die Leere und wollen drum einen Mystizismus machen, – da doch, wenn etwas entstehen muß und nicht gemacht werden kann, es der Mystizismus ist. Absurdes Volk, versteht nicht einmal, wie die Messe geworden ist, tut, als könne man eine Messe machen. Wer drüber lacht, ist frömmer als die. Werden nun aber glauben, du frömmelst mit ihnen. Werden dein altdeutsch

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