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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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welchem Grunde bildetest du und däutest dich groß, sonderbar Lebensgerüst, dem man das weiche Seelchen nahm? Im Ägäischen Meere gar? Hattest du wohl ein Plätzchen an Kypris' irisierendem Muschel-Thron? Mit Augen, blind überschwemmt von der Flut, die ich aus deinen Poren drücke, seh ich den neptunischen Trionfo, das triefende Getümmel von Hippokampen und Wasserdrachen, von Grazien des Meeres, Nereiden und hornstoßenden Tritonen um Galatheas farbenstreuenden Wagen hinziehen durchs Wellenreich … Das ist eine gute Gewohnheit, dies Ausdrücken überm Genick, abhärtend fürs Ganze, solang du da den kalten Sturz schreckhaft-behaglich duldest, ohne daß es dir den Atem verschlägt, gingest du auch, wenn's nur der neuralgische Arm erlaubte, ohne Zagen ins Flußbad, wie vormals, wenn du, ungezogener Narr, mit nächtlichem Aufrauschen, langen, triefenden Haars, den späten Bürger phantastisch erschrecktest. Alles geben die Götter, die Unendlichen, ihren Lieblingen ganz – Alt ist die Mondnacht, da du es, aus der Ilm steigend, tief belebt und im reinen Rausch deiner Haut, in die Silberluft redetest aus begeisterter Selbstergriffenheit. So verhalfen dir eben die Nackengüsse zum Galatheagesicht. Eingebung, Ein {309} fall, Idee als Geschenk physischer Stimulation, gesunder Erregung, glücklicher Durchblutung, antäischer Berührung mit Element und Natur. Geist – ein Produkt des Lebens, – das auch wieder in ihm erst wahrhaft lebt. Sind auf einander angewiesen. Lebt eines vom anderen. Macht nichts, wenn der Gedanke vor Lebensfreude sich besser dünkt, als er ist – auf die Freude kommts an, und Selbstgefälligkeit macht ihn zum Gedicht. Freilich, Sorge muß bei der Freude sein, Sorge ums Rechte. Ist ja doch der Gedanke auch der Kummer des Lebens. Wäre das Rechte also des Kummers und der Freude Sohn. Vom Mütterchen die Frohnatur … Aller Ernst entstammt dem Tode, ist Ehrfurcht vor ihm. Aber Grauen des Todes, das ist das Verzagen der Idee – weil das Leben versagt. Wir gehen all in Verzweiflung unter. Ehre denn auch die Verzweiflung! sie wird dein letzter Gedanke sein. Dein ewig letzter? Frömmigkeit wäre, zu glauben, daß ins schwarze Verzagen des lebenverlassenen Geistes einst der Freudenstrahl höheren Lebens bricht.
    Mit dem Staube nicht der Geist zerstoben … Ließe mir Frömmigkeit schon gefallen, wenn nur die Frommen nicht wären. Wär schon ein gut Ding darum und um die still hoffende, ja vertrauende Verehrung des Geheimnisses, hätten nur nicht die Narren in ihrem Dünkel eine Tendenz und arrogante Zeitbewegung daraus gemacht, einen dreisten Jugend-Trumpf, – Neu-Frömmigkeit, Neu-Glaube, Neu-Christentum, – und hättens mit jederlei Duckmäuserei, Vaterländerei und feindselig bigottem Gemütsmuff verbunden zur Weltanschauung sinistrer Grünschnäbel … Nun, nun, wir waren auch arrogant, mit Herder damals in Straßburg gegen das Alte, wo du den Erwin besangst und sein Münster und dir den Sinn für das bedeutende Rauhe und Charakteristische nicht wolltest verzärteln lassen durch die weiche Lehre neuerer Schönheitelei. Wär den Heutigen wohl nach dem Herzen, ginge den gothischen Frömmlern recht lieblich ein, weshalben eben dus un {310} terdrücktest und schlossest es aus vom Gesammelten, da dir erst der Sulpiz, mein guter und wohltuender, mein traulich-gescheiter Boisserée, das Gewissen geschärft für die Weglassung und Verleugnung und dich in heilsame Beziehung gesetzt zum Alten-Neuen, in Beziehung zur eigenen Jugend. Sei dankbar dem oberen Wohlwollen, der eingeborenen Begünstigung, daß das Aergerlich-Bedrohliche zu dir kam in feinster und redlichster, gesittet ehrerbietiger Gestalt, als der Gute von Köln mit seinem Treusinn für würdiges, kirchliches und volkstümliches Wesen, altdeutsche Baukunst und Bilder und dir Augen machte für Vieles, was du nicht hattest sehen wollen, für den Eyck und die zwischen ihm und Dürer und fürs Byzantinisch-Niederrheinische. Da hatte man auf seine alten Tage sich mühsam von der Jugend, die das Alter zu stürzen kommt, abgesperrt um des eigenen Bestehens willen und sich vor allen Eindrücken neuer und störender Art zu hüten gesucht, um sich zu bewahren, – und auf einmal tut sich dir, zu Heidelberg damals, bei Boisserées auf dem Saal, eine neue Welt auf von Farben und Gestalten, die dich aus dem alten Geleis deiner Anschauungen und Empfindungen zwingt, – die Jugend im Alten, das Alte als Jugend –, und du fühlst, was für eine

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