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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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schon manchmal viel mehr Geduld gekostet, zum Ziel zu kommen. I am Rose Cuzzle. So glad to see you.« Diesen Augenblick, erklärte sie, habe sie vom Stubenmädchen erfahren, daß sich Mrs. Kestner seit heute Morgen in dieser Stadt, diesem Gast {42} haus, nur ein paar Zimmer von ihrem, befinde, und ohne Umstände habe sie sich zu ihr auf die Beine gemacht. Sie wisse wohl (»I realise«), welche wichtige Rolle Mrs. Kestner spiele in german literature and philosophy. »Sie sind eine berühmte Frau, a celebrity, and that is my hobby, you know, the reason I travel.« Ob dear Mrs. Kestner freundlich genug sein wolle, ihr zu erlauben, daß sie eben rasch ihr reizendes Gesicht in ihr Skizzenbuch aufnähme?
    Sie trug dies Buch unterm Arm: Breitformat, Leinendeckel. Ihr Kopf stand voll roter Locken, und hochrot war auch ihr Gesicht mit der sommersprossigen Stumpfnase, den dick, aber sympathisch aufgeworfenen Lippen, zwischen denen weiße, gesunde Zähne schimmerten, den blau-grünen, auf eine ebenfalls sympathische Art zuweilen etwas schielenden Augen. Aus der antikisch hohen Gürtung ihres Kleides aus leichtem, geblümtem Stoff, von dem sie einen faltigen Überfluß, vom Bein hinweggerafft, überm Arm trug, schien ihr weit entblößter Busen, sommersprossig wie die Nase, lustig hervorkugeln zu wollen. Um die Schultern trug sie ein Schleiertuch. Charlotte schätzte sie auf fünfundzwanzig Jahre.
    »Mein liebes Kind«, sagte sie, etwas verstört in ihrer Bürgerlichkeit durch die muntere Exzentrizität der Erscheinung, aber gern bereit, duldsamen Weltsinn walten zu lassen, – »mein liebes Kind, ich weiß das Interesse zu schätzen, das meine bescheidene Person Ihnen einflößt. Lassen Sie mich hinzufügen, daß Ihre Entschlossenheit mir sehr wohl gefällt. Aber Sie sehen, wie wenig ich gerüstet bin, Besuch zu empfangen, geschweige denn, zu einem Portrait zu sitzen. Ich bin im Begriffe, auszugehen, da liebe Verwandte mich dringend erwarten. Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben – in all der Kürze, die Sie selber in Vorschlag brachten, und auf der ich zu meinem Bedauern bestehen muß. Wir haben einander gesehen, – ein Mehreres wäre wider die Abrede, und also erlauben Sie mir {43} wohl, den Willkommsgruß sogleich mit dem Lebewohl zu verbinden.«
    Es blieb ungewiß, ob Miß Rose ihre Worte auch nur verstanden hatte; keinesfalls machte sie Miene, ihnen Rechnung zu tragen. Indem sie fortfuhr, Charlotte mit »Dear« anzureden, schwatzte sie unaufhaltsam mit ihren drolligen Polsterlippen, in ihrer bequemen und humorig-weltsicheren Sprache auf sie ein, um ihr Sinn und Notwendigkeit ihres Besuches zu erläutern, sie mit ihrer unternehmenden, einer bestimmten Jagd- und Sammlerleidenschaft dienstbaren Existenz vertraut zu machen.
    Eigentlich war sie Irin. Sie reiste zeichnend, wobei zwischen Zweck und Mittel zu unterscheiden nicht leicht war. Ihr Talent mochte nicht groß genug sein, um der Unterstützung durch die sensationelle Bedeutsamkeit des Gegenstandes entbehren zu können; ihre Lebendigkeit und praktische Regsamkeit zu groß, um sich in stiller Kunstübung genügen zu lassen. So sah man sie immerfort auf der Fahndung nach Sternen der Zeitgeschichte und historisch namhaften Oertlichkeiten, deren Erscheinung sie womöglich nebst der beglaubigenden Unterschrift des Modells und oft unter den unbequemsten Umständen, in ihre Skizzenbücher einfing. Charlotte hörte und sah mit Staunen, wo überall das Mädchen gewesen war. Sie hatte die Brücke von Arcole, die Akropolis von Athen und Kants Geburtshaus zu Königsberg in Kohle aufgenommen. In einer schaukelnden Jolle, für deren Miete sie fünfzig Pfund gezahlt, hatte sie auf der Reede von Plymouth den Kaiser Napoléon auf dem »Bellerophon« gezeichnet, als er, nach dem Diner an Deck gekommen, an der Reeling eine Prise genommen hatte. Es war kein gutes Bild, sie gestand es selbst: ein tolles Gedränge von Booten, voll von Hurra schreienden Männern, Frauen und Kindern, rings um sie her, der Wellengang, auch die Kürze des kaiserlichen Aufenthaltes an Deck waren ihrer Tätigkeit recht {44} abträglich gewesen, und der Held, mit Querhut, Westenbauch und gespreizten Rockschößen, sah aus wie in einem Vexierspiegel, von oben nach unten platt zusammengedrückt und lächerlich in die Breite gezerrt. Trotzdem war es ihr gelungen, durch einen ihr bekannten Offizier des Schicksalsschiffes seine Unterschrift, oder das hastige Krickel-Krakel, das dafür gelten mochte, zu

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