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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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ritterlichen Impuls verehre! Freilich muß ich mich wundern, daß ein so privates Vorkommnis wie meine Ankunft in Weimar Ihnen schon zu Ohren gekommen ist und frage mich von wem Sie die Nachricht haben könnten – von meiner Schwester, der Kammerrätin, vielleicht«, setzte sie mit {52} einer gewissen Überstürzung hinzu, »zu der Sie mich unterwegs sehen, und die mir meine Säumigkeit um so eher verzeihen wird, da ich ihr gleich von einem so schätzbaren Besuch zu berichten haben werde – und überdies zu meiner Entschuldigung anführen kann, daß ihm ein anderer, weniger gewichtiger, wenn auch recht belustigender schon vorangegangen ist: der einer reisenden Virtuosin des Zeichenstiftes, die darauf bestand, in aller Eile das Portrait einer alten Frau zu verfertigen und damit freilich, soviel ich gesehen habe, nur recht annäherungsweise zustande kam … Aber wollen wir uns nicht setzen?«
    »So, so«, erwiderte Riemer, eine Stuhllehne in der Hand, »da scheinen Sie, Frau Hofrätin, es mit einer jener Naturen zu tun gehabt zu haben, bei denen Sehnsucht und Streben nicht proportioniert sind, und die mit wenigen Strichen zuviel leisten wollen.
    ›Was ich ergreife, das ist heut
    Fürwahr nur skizzenweise‹«
    rezitierte er lächelnd. »Aber ich sehe wohl, daß ich der Erste nicht auf dem Platze war, und wenn ich mich meiner Ungeduld wegen einigermaßen diskulpiert fühle durch die Bemerkung, daß ich sie mit anderen teile, so geht mir die Notwendigkeit, von der Gunst des Augenblicks einen sparsamen Gebrauch zu machen, nur desto zwingender daraus hervor. Freilich wächst für uns Menschen der Wert eines Gutes mit der Schwierigkeit es zu gewinnen, und ich gestehe, daß ich auf das Glück, vor Ihnen, Frau Hofrätin, zu stehen, umso schwerer gleich wieder resignieren würde, als es garnicht ganz leicht ist, sich den Weg zu Ihnen zu bahnen.«
    »Nicht leicht?« verwunderte sie sich. »Mir scheint, der Mann, dem hier Gewalt gegeben ist zu binden und zu lösen, unser Herr Mager, hat nicht die Miene eines Cerberus.«
    {53} »Das eben nicht«, versetzte Riemer. »Aber wollen Frau Hofrätin sich selbst überzeugen!«
    Damit führte er sie zum Fenster, das wie die von Charlottens Schlafzimmer auf den Markt hinausging, und lüftete die gestärkte Gardine.
    Der Platz, den sie bei ihrer Ankunft morgendlich öde gesehen, zeigte sich von Menschen stark belebt, die in Gruppen standen und zu den Fenstern des »Elefanten« emporblickten. Besonders vor dem Eingang des Gasthofs gab es einen regelrechten Auflauf, ein kleines Volksgedränge, welches, beaufsichtigt von zwei Stadtweibeln, die sich bemühten, den Eingang frei zu halten, sich aus Handwerkern, jungen Ladenverwandten beiderlei Geschlechts, Frauen mit Kindern auf dem Arm, auch würdigeren Bürgertypen zusammensetzte und von heranrennenden Jungen immer noch vermehrt wurde.
    »Ums Himmels willen«, sagte Charlotte, deren Kopf beim Hinausspähen stark zitterte, »wem gilt das?!«
    »Wem anders als Ihnen«, antwortete der Doktor. »Das Gerücht Ihres Eintreffens hat sich mit Windeseile verbreitet. Ich kann Sie versichern, und Frau Hofrätin sehen es selbst, daß die Stadt wie ein aufgestörter Ameisenhaufen ist. Jedermann hofft, einen Schimmer von Ihrer Person zu erhaschen. Diese Leute vorm Thore warten darauf, daß Sie das Haus verlassen.«
    Charlotte spürte das Bedürfnis sich zu setzen.
    »Mein Gott«, sagte sie, »das hat kein anderer als der unselige Enthusiast, dieser Mager, mir eingebrockt. Er muß unsere Ankunft an die große Glocke gehängt haben. Daß auch die fahrende Stümperin mich hindern mußte, meiner Wege zu gehen, solange der Ausgang noch frei war! Und diese Leute dort unten, Herr Doktor, – haben sie nichts Besseres zu tun, als das Quartier einer alten Frau zu belagern, die so wenig geschaffen ist, das Wundertier abzugeben, wie ich, und gerne in Frieden ihren privaten Geschäften nachgehen möchte?«
    {54} »Zürnen Sie ihnen nicht!« sagte Riemer. »Dieser Zudrang zeugt denn doch von etwas Edlerem noch als gemeiner Neugier, nämlich von einer naiven Verbundenheit unserer Einwohnerschaft mit den höchsten Angelegenheiten der Nation, einer Popularität des Geistes, die ihr Rührendes und Erfreuliches behält, auch wenn etwelches ökonomisches Interesse dabei im Spiel sein sollte. Müssen wir nicht froh sein«, fuhr er fort, indem er mit der Verwirrten ins tiefere Zimmer zurückkehrte, »wenn die Menge, geistverachtend wie sie ihrer ursprünglichen derben

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