Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
ändern sie alles, sogar die Kleider. Ihre Schwester hat ihr eine Skizze zu einem Kleid geschickt, das gerade von Paris angekommen war. Es ist ganz erstaunlich. Man trägt keine Reifröcke mehr, sondern läßt den Stoff lang und gerade fallen. Das sei griechisch, sagten sie.«
Philip überlegte, daß Judith in einem solchen Kleid sehr gut aussehen würde. Sie war jetzt vierunddreißig und hatte vier Kinder, aber ihre Gestalt war noch ebenso schlank wie am ersten Tag ihrer Bekanntschaft. Sie hatten drei Söhne und eine Tochter, und es waren prächtige Kinder. Philip war stolz auf sie. Die beiden ältesten Jungen und Roger Sheramy ritten neben dem Wagen. Philip sah zu ihnen auf. David war jetzt achtzehn, ein jüngeres Ebenbild seiner selbst, wie Judith immer sagte, obwohl Philip kaum glauben konnte, daß er jemals ein so hübscher Junge gewesen sein sollte. David hatte blonde Locken und blaue Augen, ein rundes Kinn und eine Adlernase wie die römischen Kaiser auf alten Münzen. Und so groß war er, daß seine Mutter sich auf die Zehenspitzen stellen mußte, um ihm einen Kuß zu geben.
Christoph ritt neben ihm. Er war dunkel, ruhig und ernst und erinnerte Philip lebhaft an Mark Sheramy. Manchmal war Philip erstaunt, daß Judith, obwohl sie ihrem Vater so unähnlich war, so viel von dem Charakter des alten Sheramy auf ihren Sohn vererbt hatte. Christoph war wenig gesprächig und hatte ein zurückhaltendes Wesen. Er sagte, er wolle kein Pflanzer werden, obwohl Philip das kaum für möglich halten konnte. Die meisten jungen Leute in dieser Gegend hätten ihre Eckzähne für einen Anteil an der Ardeith-Plantage gegeben.
Der dritte Sohn saß neben Judith und sah auf die reichen Felder hinaus, an denen sie vorüberfuhren.
Er war elf Jahre alt und hieß Philip.
Manchmal dachte der Vater, daß er den dritten am meisten von all seinen Kindern liebte. Als er den gesunden Jungen mit den roten Backen betrachtete, schauderte er leicht zusammen. Wie nahe daran war es gewesen, daß dieses Kind überhaupt nicht lebend zur Welt kam! Er erinnerte sich an seine geheimen Befürchtungen, daß es durch die verzweifelte Tat der Mutter einen körperlichen oder geistigen Schaden davontragen würde. Aber der Junge hatte nach der Geburt kräftig geschrien und war vollkommen gesund. Judith hatte ihm den Namen seines Vaters gegeben, und Philip war froh darüber. Er selbst hätte es damals nicht vorgeschlagen, aber es war sein Wunsch, daß einer seiner Söhne seinen eigenen Namen trüge. Daß Judith gerade dieses Kind nach ihm benannte, hatte eine besonders innige Bedeutung.
Der kleine Philip war so blond wie David und sah in dem himmelblauen Anzug mit dem weißen Spitzenkragen, den seine Mutter gehäkelt hatte, bezaubernd schön aus. Er schaukelte auf dem federnden Sitz, während er seinem großen Bruder David, den er vergötterte, etwas zurief.
David lächelte und schlug mit der Reitpeitsche durch die Luft. »Morgen gehe ich mit Roger fischen.«
»Bringst du mir dann auch ein paar neue Fische für meinen Teich mit?« fragte Philip.
»Ja, wenn du das Unkraut am Rand abschneidest. Der Teich ist ja so zugewachsen, er ist ein Schandfleck für den ganzen Garten.«
»Das tue ich bestimmt. Heute noch.«
»Phil, kannst du nicht einen Augenblick stillsitzen, bis wir nach Hause kommen?« sagte Judith.
»Ja, Mama. Aber sage doch bitte den Negerjungen, daß sie die Fische in dem Teich nicht stören.«
»Ja, Kind. Ich sage es ihnen. Aber nun mußt du auch ruhig sein.«
»Ich bin hungrig«, erklärte der kleine Philip darauf. »Was gibt es zum Abendessen?«
»Wir haben Feigenkuchen und geschlagene Creme, aber davon bekommst du erst etwas, wenn du vorher deinen Reis gegessen hast.«
Philip lachte, als er seinen Sohn ansah, und der Kleine lachte ihn wieder an. Er war unruhig, obwohl er sich die größte Mühe gab, seiner Mutter zu gehorchen.
»Bekomme ich auch Feigenkuchen?« fragte Rita, die sechs Jahre alt war. Judith hatte gesagt, das Mädchen sei noch zu jung, um an der Feier teilzunehmen, aber Philip hatte sie doch mitgenommen, weil er glaubte, die Parade würde ihr Freude machen.
»Ja«, erwiderte Philip, »wenn du artig bist.« Er setzte die hübsche Kleine auf den Schoß. Sie hatte dunkles Haar, das in Locken auf ihre Schultern fiel.
»Darf ich auch bei Tisch mitessen?« fragte Rita weiter.
»Ja«, versprach Philip, aber Judith schüttelte den Kopf. Zu Hause sollte es ein Festessen zu Ehren der Einsetzung des neuen Gouverneurs geben,
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