Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
berührt zu haben. Wenn sie lächelte, so tauchte unter ihrem rechten Auge ein überraschendes Grübchen auf.
»Diese Sirupkuchen schmecken bestimmt gut!« stellte Corrie May anerkennend fest.
»Wirklich? Ich habe noch nie einen gegessen!« Sie versuchte ein Stückchen von dem Rest des Kuchens, den sie in der Hand hielt. »Tatsächlich –!« stimmte sie verwundert zu, drehte sich um und rief:
»Marchande! Apporte-nous encore des gâteaux!«
Corrie Mays Bewunderung steigerte sich merklich. Ann schloß ihren Kauf ab und reichte Corrie May einen zweiten Kuchen.
»Danke schön, Fräulein!« sagte Corrie May. »Sie können aber erstklassig Französisch!« stellte sie fest.
»Ich bin in Frankreich zur Schule gegangen«, sagte Ann. Sie schmauste mit Genuß. Miß Sheramy ist kein bißchen eingebildet, dachte Corrie May. Mag sie auch als reiche Pflanzerstochter über das Meer gereist sein, ins Ausland und überallhin – sie ist wirklich nett!
»Ich hab' noch nie jemand französisch reden hören; bloß immer solche Nigger wie den da!« sagte Corrie May. Dann, lächelnd, ein wenig scheu: »Sie sind doch Miß Ann Sheramy, nicht?«
»Ja. Und wie heißt du?«
»Corrie May Upjohn.«
»Bist du hier daheim?«
»Ja, Fräulein! Wir wohnen unten am Rattletrap Square. Da sind Sie wohl noch nie hingekommen –?«
»Nein, ich glaube nicht!« Ann warf den Schwänen die letzten Krumen zu. Was für schöne Hände sie besaß, lang und weiß, mit glänzenden Nägeln und nicht ein bißchen Schmutz darunter! Corrie May krümmte ihre nackten Zehen ins Gras; sie nahm sich in acht, ja nicht Anns duftigen Rock zu berühren: »Hoffentlich stör' ich Sie nicht, Miß Sheramy?«
»Durchaus nicht. Ich habe nichts Besonderes vor. Ich warte auf den Herrn, mit dem ich hierherkam.«
»Herr Larne hat wohl etwas zu erledigen?«
»Ja, er will einen Anschlag machen lassen. Er braucht Holzfäller, um Zypressen zu roden.«
»Holzfäller?« gab Corrie May eifrig zur Antwort. »Kann man bei ihm Arbeit bekommen?«
»Ja, warum?«
»Ach, Fräulein, ich habe zwei Brüder. Die sind ohne Arbeit. Ob die wohl Beschäftigung finden könnten, da bei den Zypressen?«
»Warum nicht? Ich verstehe nicht viel davon. Herr Larne erzählte mir gerade, er wolle ein Sumpfgebiet kultivieren, das zu seiner Pflanzung gehört. Sie müßten einmal im Kontor nachfragen. ›Ardeith‹ steht über der Tür.«
Corrie May errötete. »Meine Brüder haben nicht viel lesen gelernt, Fräulein Sheramy. Aber sie werden das Kontor schon finden. Daß Sie mir das gesagt haben, bestimmt, ich bedank' mich auch schön dafür!« Sie erhob sich zögernd aus dem Gras; die Kuchen hatte sie verspeist; sie wischte sich am Rock ihre Hände ab. »Ich glaube, ich gehe jetzt. Lemmy und George – so heißen meine Brüder – lungern irgendwo am Hafen herum. Ich will ihnen wegen der Arbeit Bescheid sagen. Vielen Dank auch, Fräulein, und vielen Dank für die Kuchen!«
»Nicht der Rede wert!« sagte Ann.
Corrie May wußte nicht, wohin mit den Händen, und rieb sie nochmals am Rock ab. Schließlich brachte sie einen kleinen Knicks zustande, wandte sich und machte, daß sie fortkam.
Sie rannte zu den Landungsbrücken; es gab nichts Eiligeres zu tun, als Lemmy und George zu suchen. Wenn sich Budge inzwischen einstellen sollte, so würde er eben warten müssen. Den Brüdern Arbeit zu verschaffen war wichtiger als alles andere!
Sie entdeckte ihre Brüder im Schatten eines Gebirges von Zuckerfässern; sie saßen auf einer Schubkarre und rasteten. Lemmy und George, große, starke Burschen, blondhaarig und braungebrannt wie Corrie May, paßten in ein Holzfällerlager. Corrie May berichtete ihnen, daß Mr. Denis Larne tüchtige Männer suche; er hätte vor, Zypressen roden zu lassen.
»Feine Sache! Großartig!« riefen die beiden. Solche Arbeit hielt wohl den ganzen Sommer über vor; sicherlich aber so lange, bis die Pflanzungen anfingen, ihre Baumwollernte abzufahren. Die beiden zogen sich die Hosen zurecht und machten sich auf die Suche nach dem Kontor der Pflanzung Ardeith, während Corrie May sich wieder zu dem Stapel Baumwollballen trollte, bei dem Budge sie hatte treffen wollen. Er wartete schon.
»Tut mir leid, daß du hier hast herumstehen müssen, Budge!« entschuldigte sie sich höflich.
»Macht mir nichts aus!« versicherte er.
»Ich hab' nämlich Lemmy und George Arbeit verschafft«, erklärte sie. »Zypressenroden!«
»Na, so was! Das ist aber fein!« sagte Budge.
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