Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
»Fein!«
Corrie May lächelte ihm zu. Budge war ordentlich und kräftig gebaut, weiß Gott; ein Bursch mit einem breiten, roten Gesicht. Sein Hemd stand am Hals offen; dichtes helles Haar wuchs ihm auf der Brust; die Haut darunter, von der Sonne verbrannt, schimmerte ziegelfarben. Nein, elegant und scharmant wie Denis Larne war er nicht; aber Fräulein Ann mochte mit ihrem Denis glücklich werden; mir gefällt mein Budge, dachte Corrie May.
Ihre bloßen Füße hinterließen Spuren im Staub der Hafenstraße, als sie gemächlich davonschlenderten. Budge lachte verschmitzt.
»Hab' dir was mitgebracht!« ließ er sich vernehmen.
»Was denn?« fragte sie neugierig.
Aus einer Papiertüte zog er zwei längliche Gebilde aus rosenrotem Zucker mit einem Holzstäbchen mittendurch; er reichte ihr eins davon. »Ach, danke schön!« sagte Corrie May – und freute sich, daß sie nichts von den Kuchen verraten, die sie von Miß Sheramy geschenkt bekommen hatte.
»Du bist gut zu mir, Budge!«
»Na, das will ich meinen!« gab Budge obenhin zur Antwort. »Du weißt ja, eines von den Niggerweibern verkauft diese Dinger.«
Sie lutschte das Zuckerzeug von dem Stöckchen, während sie an dem Valcour-Speicher entlang wanderten und den Hafen hinter sich ließen. »Hast du deine Pacht bezahlt?« fragte Corrie May.
»Klar!« sagte Budge und fügte hinzu: »Schönes Stückchen Land, das ich da gepachtet habe, ganz gewiß!«
»Wirklich?«
»Und ob!« sagte Budge. »Paß auf! Jetzt haben wir Achtzehnhundertneunundfünfzig.« Er zählte an seinen Fingern die Jahre ab. »Neunundfünfzig, sechzig, einundsechzig. Einundsechzig hab' ich's geschafft, wenn's keine Überschwemmungen gibt oder sonst was Blödes, womit ich angeschmiert werde; denn dann könnt' ich die Pacht nicht bezahlen.«
»Du bist tüchtig!« sagte Corrie May.
Budge grinste verlegen und stolz.
Sie tauchten in das Gewirr der Gassen um den Rattletrap Square. Wer sich hier nicht auskannte, der verirrte sich unweigerlich. Die engen Straßen bogen um viele Ecken und Kneipen, kreuzten sich so wirr und krumm, daß man schwindlig werden konnte. Doch Corrie May und Budge waren hier geboren; sie beeilten sich.
»Ich werd' mal lieber erst meiner Mama das Maismehl abliefern, das ich ihr besorgen sollte«, sagte Budge; sie hatten die Stufen vor seiner elterlichen Hütte erreicht. »Ich komm' nachher noch ein bißchen 'rüber. Vor dem Abendbrot!«
»Ja, komm nur!« meinte Corrie May herzlich.
Sie wandte sich dem Hause zu, in dem sie mit ihren Eltern wohnte. Bevor sie es noch erreichte, hörte sie ihres Vaters Stimme dröhnen; erbittert hob sie die Schultern.
Der alte Upjohn war wieder einmal im besten Gange. Er hockte auf den Treppenstufen vor seinem Hause und redete und redete. Ab und zu, wenn er seinen Sätzen besonderes Gewicht verleihen wollte, spritzte er zwischen den beiden mittleren Schneidezähnen fein säuberlich einen Strahl Tabaksaft hervor; der Staub zu seinen Füßen war schon braungetüpfelt. Die Nachbarn standen um ihn her, halb belustigt und halb einverstanden. Man hatte zwar nicht viel davon, wenn man dem alten Upjohn zuhörte; aber es war kühler hier draußen als unter den Dächern, wo die Frauensleute das Abendbrot kochten, und wenn er die böse Welt anklagte, so hörte sich das leichter an, als wenn die müden Frauen nörgelten und barmten.
Der alte Upjohn schwenkte den Arm weit. Der Wind blies ihm durch den Bart und hob die Fetzen seines Hemdes:
»Glaubt mir, alles falsche Organisation! Manche Leute kriegen zuviel und andere zuwenig. Keine Gerechtigkeit in diesem Lande! Die Regierung hockt in Washington und hält Maulaffen feil. Hab' ich nicht recht? Also bitte! Hab' ich nicht recht!«
Mr. Gambrell biß ein Stück von einer Banane, die er aus der Tasche gezogen hatte: »Wird schon stimmen, Upjohn!«
»Klar stimmt's! Und worüber zerbrechen sich die Reichen den Kopf? Das will ich dir sagen: wie sie bloß noch reicher werden, das ist alles! Kein Herz und kein Mitleid! Man braucht ja bloß mal die Straße am Fluß hinauf und hinunter zu spazieren, da sieht man, wie die Leute leben, in Sünden und Verschwendung. Die haben noch niemals die Bibel aufgeschlagen. ›Wehe über euch!‹ spricht der Herr. Aber sie hören nicht. Die nicht!«
In weitem Bogen zischte der Tabaksaft zwischen seinen gebleckten Zähnen hervor; er traf ein halb verfaultes Kohlblatt; eine magere Katze beroch es gerade; sie quäkte erschreckt und entfloh.
»Lauter falsche Organisation!«
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