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Love Alice

Love Alice

Titel: Love Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nataly Elisabeth Savina
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geht es gut, Papa«, sagt sie beschwichtigend wie eine Krankenschwester. »Aber ich habe noch Schule, okay? Danach komme ich heim.«
    Ihr Vater blickt über Cherrys Schulter direkt in meine Augen und ich wende mich peinlich berührt ab. Tuula, die alles beobachtet hat, wirft ihren Kopf zurück, hebt ihre Hand zum Mund und bewegt ihren Daumen hin und her. Nesrin rollt mit den Augen. Außer mir sieht das keiner.
    Als die Schule vorbei ist, laufe ich durch den Nieselregen den Kiesweg hinunter. In der letzten Stunde wurden wir aufgefordert, nach Möglichkeit in Gruppen nach Hause zu gehen, »wegen der Sicherheit«. Es ist tatsächlich schon ziemlich dunkel. Mama wartet auf mich mit einem kleinen Mietwagen unweit der Bushaltestelle. Ich bin froh, dass wir nicht mit dem Bus fahren müssen. Immer, wenn wir mit dem Bus unterwegs sind, regt sich Mama über die Leute auf, die mitfahren. Es ist immer etwas für sie dabei – jemand, der schnieft, sich viel zu laut räuspert, zu schrill lacht oder stinkt. »Keine Manieren«, schimpft sie dann, »keinerlei Kultur!« Am schlimmsten ist es, wenn sich jemand laut schnäuzt. In Hannover hat Mama einmal einen Mann laut ermahnt und dann angeboten, ihm vor die Füße zu kotzen. Weil Sie sich dann sicher noch wohler fühlen, hat sie gesagt.
    Schnell steige ich ein und freue mich, dass sie die Heizung aufgedreht hat. Ich rutsche tief in meinen vorgewärmten Sitz, damit mich keiner von der Bushaltestelle sieht. Mama betrachtet aufmerksam die Schüler, die bibbernd auf den Bus warten. Dann setzt sie sich auf den Fahrersitz und fragt mit gespielt guter Laune:
    »War dein erster Tag auch wunderbar?«
    Sie will, dass es mir gut geht. Und denkt, dass jeder Mensch es selbst beeinflussen kann, wie es ihm geht. Aber manchmal hat man keine Lust, etwas zu beeinflussen, und das übersieht Mama komplett. Ich halte die berühmte Pause ein, bis ich das Gefühl habe, Benzin zu riechen.
    »Alle anderen in der Klasse tragen Jeans und Turnschuhe.«
    »Ja«, sagt Mama.
    So was hasse ich.
    »Wie, ›ja‹?«
    Mama startet den Wagen und sieht mich fest an. Ich betrachte die feinen Linien unter der Augenschminke.
    »Weißt du, Alice, du musst dich ein für alle Mal entscheiden. Hast du deinen eigenen Kopf oder willst du so sein wie alle anderen? Aber wenn du weißt, was du willst, wirst du dich nie mehr unwohl fühlen. Wenn du möchtest, gehen wir Samstag los und besorgen dir Jeans. Und diese formlosen T-Shirts.«
    Was soll man darauf antworten. Natürlich will ich so sein wie die Menschen mit eigenen Köpfen. Das hat was mit Charakter zu tun. Jeder weiß, dass das zwar schwieriger, aber auch irgendwie besser ist.
    »Wann hast du dich entschieden?«, frage ich sicherheitshalber nach.
    Mama lächelt stolz.
    »Ich wusste es schon immer.«
    Als wir an der Bushaltestelle vorbeifahren, sehe ich Cherry. Sie kratzt Papierstreifen von der regendurchnässten Reklametafel ab. Unter ihren Füßen ist ein kleiner Berg aus Papierschnipseln, die wie flatternde Linguini davongeweht werden. Ich finde, Cherry ist ein Freak und sehr sympathisch.
    »Sieh dir das bloß an«, sagt Mama kopfschüttelnd.
    »Sie heißt Kristin«, sage ich.
    Mama nickt.
    »Und was machen ihre Eltern beruflich?«, fragt sie.
    Mama muss immer wissen, was die Eltern von jemandem machen. Herkunft ist alles. Man kann Mama kaum beeindrucken, es sei denn, man hat total viel Geld oder ein unglaubliches Talent. Wobei Mama sagt, wenn man Talent hat, hat man auch Geld. Ansonsten ist das Talent eine verschwendete Begabung.
    »Was weiß ich«, sage ich zickig, »sie ist nicht meine Freundin.«
    Zum Abendessen setzen wir uns auf die Couch im Wohnzimmer. Die Stehlampe ist kaputt. An der Wand zeichnen sich die Schatten der halb ausgepackten Koffer und Taschen ab. Statt eines Tisches nehmen wir eine Kiste. Mama holt die Milch und den stinkenden Käse. Sie kramt in einer Tasche und findet unser Silberbesteck. Dann kramt sie noch mehr und holt ein marmornes Dekoei heraus. Triumphierend hält sie es hoch. Ich sehe sie müde an. Das Ei hat sie von Moritz, ihrem treu ergebenen Agenten. Mama legt das Ei zwischen die Blumentöpfe.
    »Ich hab’s gleich«, sagt sie.
    Sie bedeckt die Kiste mit einem Geschirrhandtuch und breitet das Besteck darauf aus. Ich hole die Tüten mit dem Essen aus dem Flur und stecke meine Nase hinein.
    »Nicht schon wieder Chinesisch«, sage ich.
    »Hätte ich ranzige Individualistenpommes für dich mitbringen sollen?« Mama grinst mich albern an.
    Sie

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