Love is a Miracle
wenn sie anriefen, war ich immer beschäftigt oder schon im Bett.
Aber eines Morgens wartete Lissa auf mich, als ich in die Schule kam, und fing mich auf dem Weg zur Mädchenumkleide ab. Sie war sauer. Das sah ich sofort.
»Was ist los mit dir?«, fragte sie.
Ich zuckte die Schultern. »Nichts, nur keine Zeit.«
»Hör mal, Meggie, Brian hat Jess gestern gesagt, dass er ihr bei der Abschlussfeier einen Verlobungsring überreichen will. Wir gehen nach der Schule zu mir und schauen uns im Internet welche an. Und dann fahren Jess und Brian am Wochenende zu Walmart in Derrytown und suchen sich einen aus, den sie sich zurücklegen lassen.«
»Das ist super.«
» Das ist super? Mehr fällt dir nicht dazu ein? Jess verlobtsich, Mann! Okay, Brian hat ihr letztes Jahr schon einen Freundschaftsring geschenkt, aber das ist jetzt was anderes. Sie werden heiraten, Meggie. Der wichtigste Tag in ihrem Leben.«
»Ja, ich weiß.«
Lissa schüttelte den Kopf. »Ja, ja, das sagst du jetzt. Aber nach der Schule bist du dann nicht da, stimmt’s? Und wenn Jess dich anrufen und dir erzählen will, was er zu ihr gesagt hat, als er ihr den Heiratsantrag gemacht hat, dann musst du lernen oder hast Kopfweh oder David sagt: ›Sie will nicht ans Telefon kommen. Tschüss.‹ Tut mir echt leid, dass wir keinen Flugzeugabsturz überlebt haben, so wie du, Meggie – dann wären wir vielleicht gut genug für dich.«
»Ja, vielleicht«, sagte ich und hörte das Nichts in meiner Stimme. Die Leere.
Lissa starrte mich an und dann brach sie in Tränen aus. Lissa weinte sonst nie. Jess weinte bei Kitschfilmen oder wenn ein Vogeljunges aus dem Nest gefallen war, aber Lissa behielt immer einen kühlen Kopf und ermahnte uns, das Junge nicht anzufassen, auch wenn es noch so hilflos herumhüpfte, weil die Eltern es sonst nicht mehr füttern würden. Lissa hatte auch immer eine Packung Tempos für Jess dabei, wenn wir ins Kino gingen.
Lissa war ein Mensch, der die Dinge in Ordnung brachte, statt in Tränen auszubrechen.
Aber jetzt weinte sie. Und selbst das war mir egal. Ich wollte nur weg von ihr.
Also ging ich. Stolzierte einfach davon.
Kapitel 8
Das war das Ende. Seither ignorierten Jess und Lissa mich in der Schule und riefen auch nicht mehr zu Hause an. Eines Abends, nachdem das Telefon tagelang kein einziges Mal für mich geläutet hatte, fragten Mom und Dad mich danach, als wir nach dem Essen zu dritt vor dem Fernseher saßen.
»Es ist nichts«, sagte ich.
»Mädchenkram, wie?«, sagte Mom und erzählte mir von einem Streit, den sie früher an der Highschool mit ihrer besten Freundin gehabt hatte, bis David brüllte, dass er Hilfe bei den Hausaufgaben brauchte.
Dad sagte: »Ich hab das damals alles mitgekriegt, weil ich ja der Freund deiner Mutter war – also wenn du wissen willst, was Männer davon halten, oder wenn du mal einen Rat brauchst, dann steh ich zur Verfügung.«
»Danke, nicht nötig«, sagte ich und er lächelte mich an.
Lächeln, lächeln, lächeln. Mehr hatten sie nicht zu bieten.
Mom kam zurück, rieb sich den Kopf und sagte, sie habe gar nicht gewusst, wie schwer Geschichte heutzutage sei, und immer wenn ich meine Eltern anschaute, beobachteten sie mich. Lächelten, wenn ich ihren Blickauffing, aber als ich aufstand, um mir etwas zu trinken zu holen, und aus dem Zimmer ging, hörte ich Dad sagen: »Laura, der Brief, den du deinen Eltern geschickt hast, ist heute schon wieder mit ›Annahme verweigert‹ zurückgekommen.«
Dads Eltern sind längst tot, aber die Eltern von Mom leben noch. Sie wohnten früher auch in Reardon, bis sie kurz vor meiner Geburt ihr Haus verkauft haben und in ein Seniorenheim in der Nähe von Staunton gezogen sind. Ich habe sie noch nie gesehen. Sie haben den Kontakt zu Mom abgebrochen, als sie kaum älter war als ich jetzt. Weil sie Dad geheiratet hat.
Und weil sie schwanger von ihm war.
Als ich ins Wohnzimmer zurückkam, verstummten Mom und Dad mitten im Satz, der düstere Ausdruck auf ihren Gesichtern verschwand und sie setzten ihr übliches Lächeln auf. Nach Jess und Lissa fragten sie nicht mehr, obwohl das Telefon weiterhin stumm blieb.
Am Sonntag fuhr unsere ganze Familie wie immer im Auto zur Kirche und Jess sah mich kurz an, dann wandte sie den Kopf ab. Ihr Mund zuckte, ein Zeichen, dass sie wütend war. Ich fuhr zusammen, als die Orgel einsetzte, weil mich das Dröhnen des Anfangsakkords erschreckte, und plötzlich war überall Wald um mich herum, regennass und
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