Love is a Miracle
sich zu sagen traut: Heute ist echt nicht dein Tag, aber da musst du jetzt trotzdem durch.«
Margaret grinste und gab mir noch ein Stück Schokolade. »Du schaffst das schon, glaub mir.«
»Warum? Weil ich ein Wunder bin, das Mädchen, das einen Flugzeugabsturz überlebt hat?«
Margaret seufzte. »Nein. Du überstehst den Tag, weil er bald zu Ende geht – ist nämlich schon nach acht. So, und jetzt muss ich meinen Freund Bill anrufen, und das kann eine Weile dauern, besonders wenn er von seinen Rückenschmerzen anfängt.«
Margaret ließ Bill geduldig über seinen Rücken jammern, und als sie endlich den Hörer auflegte, gähnte sie und holte mir eine Decke und ein paar Kissen für dieCouch im Wohnzimmer. »Dein Vater sagt, du joggst gern bei Nacht. Scheint ihm nicht zu gefallen. Aber dir offenbar?«
Ich nickte.
Margaret klopfte die Kissen zurecht. »Weil du dich dann besser fühlst?«
Ich nickte wieder.
»Also gut, von mir aus – aber du bleibst im Ort und hältst dich von fremden Autos fern, ja?«
Ich verdrehte die Augen und sie sagte: »Hier kommen schon hin und wieder Fremde durch, verstehst du? Und ich will eine Antwort, nicht nur ein Nicken.«
»Ja, okay – ich bleibe im Ort und rede nicht mit Fremden. Ich … ich geh einfach nur laufen.«
»Gut, aber wenn du Dreck ins Haus bringst, machst du es wieder sauber.« Margaret gab mir einen Hausschlüssel. »Das war der von Rose. Verlier ihn nicht.«
»Danke«, sagte ich, und sie winkte mir mit einer Hand und ging ins Bett. Ich saß lange auf der Couch, bevor ich aufstand und hinausging. Ich ging nicht laufen, sondern setzte mich auf die Veranda und versuchte an nichts zu denken. Ich starrte geradeaus vor mich hin, ins Dunkel hinein.
Irgendwann fuhr ein großer weißer Wagen vorbei, so spät in der Nacht, dass die Grillen im Gras bereits verstummt waren. Bestimmt war es eins von Mrs Harrisons Protzautos. Mrs Harrison lebte in einem riesigen alten Haus neben der Reardon-Logging-Fabrik und scheffelte Geld, indem sie Zimmer an Leute vermietete, die dortarbeiteten und sich kein eigenes Haus leisten konnten. Sie lief immer in denselben alten Kleidern herum – drei insgesamt – und gab garantiert keinen Cent für ihr Haus aus, aber einmal im Jahr ließ sie sich nach Derrytown kutschieren und kam mit einer funkelnagelneuen großen weißen Limousine zurück. Die alte verkaufte sie dann. Inzwischen waren ungefähr sechs von der Sorte im Umlauf und jeder erkannte sie von Weitem.
Der Wagen fuhr jetzt langsamer und plötzlich rief Joe aus dem Fenster: »Hey, Meggie.«
»Was machst du in Mrs Harrisons Auto?«
»Hab ich ihr abgekauft. Ich muss ihr ja sowieso Miete bezahlen und ein Auto brauch ich auch, also dachte ich mir, ich …«
»Was, du wohnst jetzt dort?«
»Ja, aber das Auto ist bestimmt größer als die Bruchbude, in die sie mich reingesteckt hat. Echt, Meggie, man kommt sich wie in einem Schiff da drin vor.« Er lachte, und als ich nicht mitlachte, stellte er den Motor ab und stieg aus. »Und was machst du hier?«
»Ich … zu Hause ist was passiert. Morgen früh muss ich zurück. Lässt du dein Auto immer mitten auf der Straße stehen?«
»Wieso? Um die Zeit fährt hier doch keiner mehr. Außer mir natürlich.« Er kam durch Margarets Hof, und ich wartete darauf, dass er mich fragen würde, was passiert sei. Aber er setzte sich nur neben mich und sagte: »Willst du nach Hause?«
»Nein. Ja. Ich weiß nicht.«
Joe grinste mich an. »Notfalls kannst du auch ein Zimmer bei Mrs Harrison mieten. Das Bad musst du dir allerdings mit sechs anderen teilen und dir jedes Mal das Gejammer über ihre kranken Beine anhören, wenn du ihr auf der Treppe begegnest.«
»Und … und fehlt dir dein Zuhause nicht?«
Joe schwieg einen Augenblick. »Als Beth noch lebte, wollte ich nur weg von dort. Aber seit sie tot ist, seit alles in die Brüche gegangen ist, fehlt es mir schon. Ich vermisse Beth und meine Eltern, alles eben, auch wenn unsere Familie nie besonders toll war. Und jetzt kann ich gar nicht mehr hin. Also, ja, es fehlt mir. Und weißt du, was das Schlimmste ist?«
Ich schüttelte den Kopf und schlang die Arme um meine Knie.
»Niemand sieht, wie leid mir das alles tut, wie sehr ich Beth vermisse und wie schuldig ich mich fühle. Und dass ich mich verändert habe, dass ich nicht mehr der Blödmann bin, der im Unterricht eingepennt ist und nachsitzen musste, während seine Schwester an einem Asthmaanfall gestorben ist. Sagen kann ich es
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