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Love Train

Love Train

Titel: Love Train Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Lankers
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wiederholen wollte).
    Â»Liebe findet hier statt.« Ich deutete auf mein Herz. »Und nicht eine Etage tiefer.«
    Juli lachte nur und ich funkelte sie wütend an. Dabei rannte ich direkt in einen japanischen Touristen hinein, der seine Kamera auf ein Schaufenster gerichtet hatte, in dem eine füllige Frau in einem extrem knappen Fransenbikini auf einem Barhocker saß und gelangweilt ins Nichts starrte. Mir wurde ein bisschen übel, als ich sie und ihre Kolleginnen in den Nachbarfenstern betrachtete. Nein, mit Liebe hatte das ganz sicher nichts zu tun!
    Â»Bitte, Juli, lass uns verschwinden«, bat ich.
    Â»Okay«, stimmte meine Schwester zu meiner Überraschung zu. Aus dem Kängurubeutel, den sie ihre Handtasche nannte, zog sie einen knittrigen Stadtplan, den sie im Hostel mitgenommen hatte, und faltete ihn umständlich auseinander. »Da geht’s lang.« Ich hatte keine Ahnung, wo Juli hinwollte, aber ich war froh, der Fleischbeschau zu entkommen.
    Â»Condomerie« stand in Großbuchstaben auf der Fensterscheibe, aber der Hinweis wäre wohl kaum nötig gewesen. Denn was es in diesem Laden, den Juli so zielsicher gefunden hatte, zu kaufen gab, war auch an mehreren Wäscheleinen, die quer durch das Schaufenster gespannt waren, ausgestellt: Kondome.
    Ich unterdrückte ein weiteres Stöhnen – meine Schwester schien zurzeit wirklich nur eins im Kopf zu haben – und musste gleichzeitig grinsen. Die Exponate, die alle mit bunten Flüssigkeiten gefüllt waren, waren aber auch wirklich witzig. Es gab Gummis mit einem Fußball am Ende, einen grünen Kaktus und einen roten Fliegenpilz mit weißen Punkten. Bart Simpson war ebenso vertreten wie die Freiheitsstatue und Big Ben. Juli hatte das Geschäft bereits betreten, während ich noch vor dem Fenster stand und staunte. Als ich ihr gerade folgen wollte, erklang aus meinem Rucksack die Melodie von »Dreamgirl«.
    Â»Hi, Mama«, begrüßte ich meine Mutter, nachdem ich mein Handy endlich in den Tiefen meines Rucksacks gefunden hatte.
    Â»Hallo, Schatz, wie geht es euch?«
    Â»Gut.« Was sollte ich schon sagen? Gerade haben wir uns die Prostituierten im Rotlichtviertel von Amsterdam angeschaut und gestern hat Juli Haschisch gekauft? Nee, meine Mutter sollte ja keinen Suchtrupp losschicken und uns direkt wieder nach Hause holen. Ich wollte nach Barcelona!
    Â»Das ist schön. Ich wollte auch nur mal hören.« Die Stimme meiner Mutter blieb am Ende des Satzes hängen, wie bei einer Frage. Typisch. So lieb ich meine Mutter habe, ihre Kontrollanrufe, die sie sogar tätigt, wenn ich nur bei meiner besten Freundin Sue übernachte, können einem auf die Nerven gehen.
    Â»Wirklich, alles in Ordnung«, wimmelte ich sie ab. »Wir machen ein bisschen Sightseeing. Amsterdam ist toll.«
    Â»Und wie klappt es mit dir und deiner Schwester?«
    Â»Gut.« Fast so gut wie mit einem bissigen Hund und einer aggressiven Katze.
    Â»Das ist ja prima. Na, dann viel Spaß. Kuss.«
    Â»Tschüss, Mama.«
    Kaum hatte ich das Handy in meinem Rucksack verstaut, kam Juli aus dem Laden und schwenkte ein durchsichtiges Tütchen, in dem mindestens zehn verschiedenfarbige Kondome steckten.
    Â»Großeinkauf gemacht?«, kommentierte ich.
    Â»Man kann nie wissen.«
    Â»Bist du jetzt fertig?«
    Â»Ja, bereit fürs Schnarchnasenprogramm.«
    Also bummelten wir zurück Richtung Prinsengracht und schafften es, uns auf dem ganzen Weg nicht mehr zu streiten. Hauptsächlich, weil wir nicht besonders viel miteinander redeten.
    Ich hatte Anne Franks Tagebuch vor zwei Jahren im Unterricht gelesen, und ich muss gestehen, dass ich es bis auf wenige Stellen nicht besonders spannend fand. Allerdings hatte es mich auf die Idee gebracht, selbst mit dem Tagebuchschreiben anzufangen. Aber als wir jetzt vor dem Bücherschrank standen, hinter dem der Zugang zum Versteck von Annes Familie und den anderen lag, spürte ich plötzlich etwas, das mir bei der Lektüre des Tagebuchs gefehlt hatte: Anne wurde real. Dieses Mädchen, das jünger gewesen war als ich, als die Nazis es ermordeten, hatte es tatsächlich gegeben. Mich schauderte es bei dem Gedanken.
    Â»Ich sehne mich so«, kam mir ein Satz von Anne in den Kopf, der mich damals so berührt hatte, dass ich ihn in mein eigenes Tagebuch übertragen hatte. »… schon so lange.« Wir stiegen eine schmale Leiter hinauf und

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