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Love Train

Love Train

Titel: Love Train Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Lankers
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Als Juli aufstand, um weiterzugehen, zog ich das Papier heraus und steckte es auf eine Spitze des Eisenzaunes. Genau in diesem Moment drehte Juli sich nach mir um.
    Â»Was ist das denn?« Sie war schneller als ich, schnappte sich das Zettelchen, bevor ich danach greifen und es in meiner Tasche verschwinden lassen konnte, und faltete es auseinander.
    Â»Wie können diese kalten Körper so lebendig wirken, als hätte jemand Gefühle in Stein gehauen?«, las sie vor und schaute mich mit gerunzelter Stirn an. »Was ist das denn?«, wiederholte sie.
    Â»Nichts. Gib her.« Ich versuchte, ihr den Zettel aus der Hand zu nehmen, aber sie versteckte ihn hinter ihrem Rücken. Ich griff nach ihrem Arm und zog daran, aber sie grinste nur. »Das geht dich gar nichts an.« Ich klang wie ein zickiges Kind und fühlte mich auch genauso machtlos wie früher, wenn ich mit meiner größeren – und damals noch viel stärkeren – Schwester um ein Spielzeug oder etwas anderes von Bedeutung gekämpft hatte.
    Â»Sag schon. Ist das einer von deinen literarischen Ergüssen?« Juli grinste immer noch und ich hätte ihr am liebsten – genau wie früher – das blöde Grinsen aus dem Gesicht gekratzt.
    Â»Das kapierst du sowieso nicht.« Ich bemühte mich, nichts als eiskalte Verachtung in meine Worte zu legen.
    Juli setzte zu einer bissigen Erwiderung an, doch dann fiel ihr Blick über meine Schulter auf etwas, ihre Augen weiteten sich, und das Einzige, was sie sagte, war »Shit«. Kurz dachte ich, sie wollte mich austricksen und meine Aufmerksamkeit ablenken, aber sie sah so erschrocken aus, dass ich mich umdrehte und ihrem Blick folgte.
    Â»Shit«, entfuhr es mir ebenfalls. Der Friedhof war mittlerweile wie ausgestorben – haha –, von den anderen Touristen war nichts mehr zu sehen, doch auf einem der Wege näherten sich in einiger Entfernung zwei Männer in blauen Uniformen.
    Â»Sind das Security-Leute?«, fragte ich flüsternd.
    Â»Sieht so aus.« Juli hatte ihre Stimme ebenfalls zu einem Flüstern gesenkt und sich instinktiv hinter das moosige Mausoleum gedrückt.
    Â»Wusstest du, dass es hier Friedhofswachen gibt?« Ich quetschte mich dicht neben sie an die kühle Steinwand.
    Â»Quatsch, woher?«
    Ich linste um die Ecke, die Männer kamen schnell näher.
    Â»Und jetzt?«
    Juli zuckte mit den Schultern. »Verstecken«, schlug sie vor. Ich nickte bloß und sah mich um, aber ich konnte nichts entdecken, das sich als Unterschlupf anbot. Natürlich konnten wir uns weiter hinter eins der steinernen Grabhäuser ducken, aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Uniformierten uns dabei entdecken würden, war verhältnismäßig hoch. Doch Juli griff bereits nach meinem Handgelenk und zog mich um die Ecke des Mausoleums zu einer Metalltür. Sie drückte dagegen und zu meiner Überraschung ließ sich die Tür öffnen. Schließen die ihre Gräber nicht ab?, dachte ich und musste ein hysterisches Kichern unterdrücken, als Juli mich mit noch immer festem Griff ins Innere des steinernen Bauwerks zerrte. Meine Schwester schob die Tür hinter uns ins Schloss und von einer Sekunde auf die andere war es fast völlig dunkel.
    Nur ein dünner Strahl der Sonne fiel durch das Gitter in der Metalltür und mit dem Licht schien auch die Wärme ausgesperrt worden zu sein. Gänsehaut kroch meine nackten Arme hinauf, ich schloss die Augen und wollte nicht sehen, was sich außer uns in diesem winzigen Raum befand. Diesem Grab! Schon allein das Wort jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich atmete flach, die Luft war muffig, aber es roch nicht so widerlich, wie ich gefürchtet hatte.
    Â»Das ist nicht dein Ernst«, flüsterte ich heiser.
    Â»Stell dich nicht an«, gab Juli ungerührt zurück. »War doch deine Idee mit dem Friedhof.«
    Ich zwang mich, die Augen wieder zu öffnen, die sich nur langsam an das Dämmerlicht gewöhnten, und den Raum einer Musterung zu unterziehen. Links und rechts standen auf stabilen Halterungen an den Wänden je drei steinerne Särge übereinander. Wieder spürte ich die Kälte auf meinen Armen, gleichzeitig wurden meine Hände feucht. Einer der unteren Särge war eingestürzt, aber ich konnte mich nicht aufraffen, genauer hinzuschauen und womöglich Knochen darin zu entdecken.
    Juli klebte an der Tür und starrte aus dem

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