Love Train
es wäre mir vorgekommen, als würde ich eine alte Freundschaft kündigen, wenn ich damit aufgehört hätte.
Ich hörte ein ungeduldiges Hupen durch die offene Eingangstür der Jugendherberge bis in den Gemeinschaftsraum dringen.
»Lena!«, drängelte Juli. Galt das Hupen etwa uns? Schnell veröffentlichte ich meinen neuesten Blogeintrag und folgte Juli nach drauÃen. Ich hatte die Tür noch nicht erreicht, da vernahm ich einen Juli-Freudenschrei. Wiedersehensfreude vermutlich, immerhin hatte sie Tobias seit einer Woche nicht gesehen. Als ich in den sonnigen Morgen hinaustrat, kapierte ich, dass meine Schwester aus einem anderen Grund so gequietscht hatte: Vor der Jugendherberge parkte ein schnittiges rotes Cabrio.
Tobias saà am Steuer und Felix hielt uns galant die Beifahrertür auf â beide strahlten mit der spanischen Sonne um die Wette. Jungs und ihre Spielzeuge, dachte ich belustigt, aber ich musste zugeben, dass ich von dem Auto ziemlich beeindruckt war.
»Habt ihr jetzt auch noch im Lotto gewonnen?«, fragte ich Felix beim Einsteigen.
»Nein, ist bloà gemietet«, gab er grinsend zurück. Für einen kleinen Moment verlor ich mich in der Betrachtung seiner Grübchen, bis Felix fragte: »Willst du nicht einsteigen?«
Ich spürte meine Wangen heià werden und kletterte schnell ins Innere des Wagens. Juli saà bereits hinter Tobias auf der mit weiÃem Leder bezogenen Rückbank und wuschelte ihm mit spitzen Fingern durch die langen Haare. Felix knallte die Autotür zu und Tobias gab Gas.
»Wo soll es denn nun hingehen?«, rief ich nach vorn.
»Wird nicht verraten«, gab Tobias zur Antwort und drehte das Radio voll auf.
Spanische Popmusik dröhnte aus den Lautsprechern, und sofort fing Juli an, sich im Rhythmus zu bewegen. Erst lachte ich über sie, aber dann machte ich mit. Nach kurzer Zeit hatten wir Barcelona hinter uns gelassen und brausten über die Autobahn. Kräftiger, warmer Wind wehte mir ins Gesicht, zerstrubbelte meine Haare und machte jedes Gespräch unmöglich, aber die Musik war laut genug, um die Fahrgeräusche zu übertönen. Ich streckte meine Arme nach oben und lehnte mich ganz weit zurück. Mit geschlossenen Augen fühlte es sich fast an, als würde ich fliegen.
Nach etwa zwanzig Minuten bogen wir von der Autobahn auf eine KüstenstraÃe ab, wo es in kaum weniger rasantem Tempo immer am Meer entlangging. Was hatte Tobias bloà mit uns vor? Kurz vor einem Kreisverkehr ergatterte ich einen Blick auf ein StraÃenschild: Lloret de Mar. Der berühmtberüchtigte Partyort! War das unser Ziel? Und was sollte dann die Aufgabe sein? Komasaufen?
Links und rechts der StraÃe erhoben sich gleichförmige Apartmentgebäude, die sich mit Hotelanlagen und Souvenirshops abwechselten. Der Verkehr hatte sich verdichtet. Vor Haltestellen am StraÃenrand warteten Touristengruppen in Badeshorts und T-Shirts auf den Bus. Es sah alles ziemlich unspektakulär aus.
Das Navi quäkte und Tobias bog nach links ab. Wieder folgten wir einer viel befahrenen StraÃe, vorbei an Häusern, die alle gleich aussahen, und Parkplätzen, auf denen riesige Reisebusse abgestellt waren. Dann wurden die Häuser weniger und niedrige Bäume duckten sich am StraÃenrand unter der Sonne. Mit einem zunehmend unangenehmen Gefühl wunderte ich mich noch immer, wo wir hinfuhren.
Wieder kamen wir an einen Kreisverkehr, schnittig nahm Tobias die Kurve und bog ab, mitten aufs freie Feld, wie mir schien, das in der Ferne von einem kleinen Waldstück begrenzt wurde. Doch dann entdeckte ich ein groÃes blaues Schild, auf dem stand: »Hola! Hello! Water World!« Aus dem Grün der Bäume ragten bunte Plastikrutschen heraus, die sich in aberwitzigen Formen verdrehten. Ein Wasser-Funpark. Doch das beantwortete nicht meine Frage: Was taten wir hier?
Tobias brachte das Cabrio auf dem Feld, das wohl ein Parkplatz sein sollte, zum Stehen, und sofort bestürmten wir ihn alle mit dieser einen Frage! Tobias setzte ein Pokerface auf (das konnte er definitiv besser als pokern) und lieà sich noch einen Moment bitten, doch dann drehte er sich mit einer schwungvollen Bewegung um und streckte den Arm aus wie ein Showmaster, der den Ãberraschungsgast präsentiert, es fehlte nur der Trommelwirbel.
»Meine Damen und Herren«, sagte Tobias. »Unsere letzte Aufgabe.«
Mein Blick folgte Tobiasâ
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