Love Train
du nicht hinguckst.«
»Das bildest du dir ein«, würgte ich Julis MutmaÃungen ab. Aber ich konnte nicht verhindern, dass es unter meinem Zeigefinger, der immer noch seine Kreise zeichnete, in meinem Bauch zu kribbeln anfing. Wir schwiegen eine Weile, und ich fragte mich, wie es kam, dass Juli und ich dieses Gespräch führten. Ausgerechnet! Ich hätte nie geglaubt, dass ich mich mit meiner Schwester mal über Jungs unterhalten würde. Und ihr dabei verraten würde, was ich mir selbst kaum eingestanden hatte, nämlich, dass ich Felix wirklich mochte.
Aber auf einmal erschien es mir ganz selbstverständlich. Mit Juli zu reden, war viel einfacher als früher. Es war genau so, wie mit einer Freundin zu reden. Lag es daran, dass ich auf dieser Reise sonst niemanden hatte, mit dem ich über alles hätte quatschen können? Nein, wurde mir klar, es lag daran, dass Juli und ich tatsächlich so etwas wie Freundinnen geworden waren. Ich wusste nicht wie, es war einfach passiert. Aber der Gedanke gefiel mir besser, als ich es für möglich gehalten hätte.
»Armer Joey!«, rief Juli plötzlich und streckte in einer dramatischen Geste die Arme zum Himmel.
»Joey? Wieso? Was soll mit dem sein?« Ich konnte Julis Gedankensprüngen nicht folgen.
»Er verliert eine seiner treuesten Verehrerinnen«, klagte meine Schwester mit gespieltem Mitleid. Ich warf mein Handtuch nach ihr.
»Hör auf. Joey ist der tollste Typ, der je auf einer Bühne gestanden hat, daran hat sich nichts geändert«, verteidigte ich mein Idol. Aber ich merkte selbst, dass ich schon seit mehreren Tagen nicht mehr allzu häufig an meinen Traumtyp gedacht hatte. Verrückt, es wurde mir erst jetzt, als Juli stichelte, so richtig bewusst, dass meine Sehnsucht, in Joeys Armen zu liegen, einfach verpufft war. Nichtsdestotrotz wollte ich zum Abschiedskonzert von No Way. Unbedingt. Weil es mein Traum war, mein Ziel, der Grund, warum ich diese Reise überhaupt angetreten und mich auf diese schräge Wette eingelassen hatte.
Die Wette, herrje! Wir durften diese Wette nicht verlieren. Auf gar keinen Fall! Denn das würde nicht nur bedeuten, dass ich nicht auf das Konzert gehen konnte, es würde auch bedeuten, dass ich eine Nacht mit Felix verbringen musste. Und dieser Gedanke jagte mir eine solche Angst ein, dass sich trotz der Hitze eine Gänsehaut auf meinen Armen und Beinen bildete.
»Sag mal«, fragte Juli vorsichtig, als hätte sie meine Gedanken gelesen, »hast du eigentlich schon mal mit einem Jungen geschlafen?«
Ich fuhr so heftig herum, dass ich fast von der Liege gekippt wäre. »Das geht dich gar nichts an«, schnappte ich. So gut ich mich mit Juli auf einmal verstand, gab es doch Grenzen, und die waren bei diesem Thema definitiv erreicht.
»He, locker bleiben«, lenkte Juli sofort ein. »Ich dachte nur, ich frag mal, vielleicht brauchst du ja noch ein paar Tipps.« Sie schenkte mir wieder ein Wimperklimpern, und obwohl ich das normalerweise absolut albern fand, erkannte ich doch, dass es aufmunternd gemeint war. Nein, bitte nicht, dachte ich. Wenigstens Juli sollte felsenfest an unseren Sieg glauben, wenn ich schon daran zweifelte. Immerhin hatte sie mir hoch und heilig versprochen, dass wir gewinnen würden. Ich atmete so tief durch, dass es verdächtig nach einem Seufzen klang, rollte mich wieder auf den Rücken und starrte in den strahlend blauen Himmel. Dieses Gespräch hatte für meinen Geschmack eine viel zu ernste Wendung genommen.
»Lena?« Juli lieà nicht locker.
»Hm.«
»Denk dran, dass du jederzeit Nein sagen kannst.«
»Hm.« Als ob das immer so einfach wäre! Natürlich wusste ich, dass ich das konnte. Aber es gab zumindest ein Mal in meinem Leben, da hatte ich es nicht getan. Und das bereute ich immer noch. Zu spät merkte ich, dass sich eine Träne aus meinem Augenwinkel gestohlen hatte und nun über die Schläfe rollte. Hastig wischte ich sie weg, aber Juli hatte es bereits gesehen.
»Willst du darüber reden?«
»Nein.«
»Bist du sicher?«
»Nein.«
Ich hatte noch niemandem davon erzählt. Nicht einmal meiner besten Freundin Sue. Nur meinem Tagebuch. Denn das konnte mir wenigstens keine Vorhaltungen machen, weil ich so blöd gewesen war, mich mit Marco Messmann einzulassen. Weil ich in meiner grenzenlosen Naivität tatsächlich geglaubt hatte, ich
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