Love you, hate you, miss you: Roman (German Edition)
Süßes?«
»Nichts. Null.«
»Auweia«, sagte Caro, dann verschwand sie in der Küche und kam mit einem Karton teurer Schoko-Eisriegel zurück. »Die wollte ich mir bis zur nächsten Physikarbeit aufsparen, aber ich glaube, du kannst dringend einen gebrauchen.«
Ich nahm einen und wow!, ich hatte ganz vergessen, wie gut Eis schmeckt. Ich wollte nie wieder Eis essen, weil das etwas war, das ich mit Julia zusammen gemacht hatte, aber ich konnte einfach nicht widerstehen. Und Caro ist nicht … sie ist nicht so, wie ich sie in Erinnerung hatte. Erstens ist sie ein Mensch und kein Monster, klar. Und witzig. Ich wusste gar nicht, dass man auch mit anderen Leuten Spaß haben kann, nicht nur mit Julia.
116 Tage
Julia,
vergiss , was ich gerade gesagt habe ... Du weißt schon, über das, was passiert ist. Versprich mir, dass Du es vergisst, okay? Weil ich … Irgendwie ist es komisch in letzter Zeit. Zum Beispiel heute.
Heute bin ich doch tatsächlich bei Corn Syrup zu Hause gelandet und hab den Tag mit ihr verbracht, statt in die Schule zu gehen (bitte sei nicht sauer, ja?).
Und ich bin spät nach Hause gekommen. (Du weißt ja, wie beschissen die Buslinie ist.) Ich war so spät dran, dass Mom und Dad es tatsächlich gemerkt haben. Ich kam nicht mal dazu, die Haustür aufzuschließen, weil sie herausstürzten, sobald ich in der Einfahrt auftauchte.
Ich kam mir vor wie in einer Vorabend-Soap, als sie mich mit ihren Fragen bombardierten. »Bist du okay?« – »Warum warst du nicht in der Schule?« – »Hast du getrunken?«
»Ja«. – »Ich weiß nicht. Nein.«
»Wo warst du?« – »Was hast du dir dabei gedacht, um Himmels willen?«
»Nichts Bestimmtes. Und ich … ich weiß auch nicht.«
»Nichts Bestimmtes? Und du weißt nicht, was du dirdabei denkst, wenn du die Schule schwänzt?« Das war Dad und seine Stimme wurde mit jedem Wort lauter.
»Amy, das sind keine Antworten.« Das war Mom. Sie hielt Dads Hand. Ihre Finger waren so fest ineinander verhakt, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Ich wollte nicht über Corn Syrup sprechen. Meine Eltern würden sofort denken, dass ich mich mit Caro angefreundet hatte, und ich war zu erschöpft, um ihnen zu erklären, was in der Highschool wirklich abgeht. Na ja, Du weißt ja, wie es ist … aber Du bist eben nicht da.
»Ich bin einfach so herumgelaufen«, log ich. »Das ist alles. Ich musste nachdenken.«
Mom wollte etwas sagen, bremste sich aber und sah plötzlich ganz verloren und wütend aus. Dad fuhr sich mit der Hand durch sein Haar, das schon leicht schütter wird, von einem etwas blasseren Farbton als meines. Er sah auch wütend und verloren aus.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, brachte er schließlich mit brüchiger Stimme hervor und Mom stand einfach da und schaute mich an.
Es war so … so erschütternd, wie sie da standen, mit wilden Augen und zornig auf mich (mich!), aber gleichzeitig erinnerte es mich an Dich und Deine Mom. An die Nacht, als ich im Krankenhaus stand und die Polizisten anstarrte, die auf mich einredeten. Ihre Gesichter tauchten nur bruchstückhaft vor mir auf – Stirn, Nase, Kinn. Und Stimmen. Stimmen, die so weit weg klangen.
Dann hörte ich Deine Mutter. Sie sagte immer nurDeinen Namen, sonst nichts, aber es klang, als würde er ihr aus der Brust herausgerissen. JuliaJuliaJulia!
Julia!
Trinken. Ich wollte trinken. Ich wollte den Tag heute vergessen, die vergangenen Monate, wer ich jetzt bin. Ich wollte das nicht, wollte nicht, dass wir alle hier draußen standen und Szenen aus einem Stück spielten, dessen Dialoge wir nicht kannten.
Ich sagte ihnen das alles. Wort für Wort. Das mit dem Stück war das Beste. Mom zuckte tatsächlich zusammen. Das gefiel mir. Es gefiel mir, dass ich sie getroffen hatte, alle beide. Jetzt kann ich verstehen, warum Du oft Dinge gesagt hast, die Deine Mom auf die Palme brachten, bis ihre Stimme immer schriller und ihr Gesicht knallrot wurden. Und ich weiß, warum Du dabei gelächelt hast.
Weil Deine Mom dir ganz gehörte, wenn sie so war. Ganz und gar mit Dir beschäftigt.
Ich fegte an meinen Eltern vorbei, als seien sie gar nicht da, so wie all die Jahre, als sie an mir vorbeigeschaut und nur sich selbst gesehen hatten, und ging hinein. Sie folgten mir, und als ich über die Schulter blickte, sah ich, dass sie mich anschauten. Ihre Augen suchten in meinem Gesicht, als hielte es eine Antwort auf die letzten Dinge bereit.
Endlich hatte ich, was ich von ihnen
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