Loving
herumoperiert ist eine Sache, aber meine Augen sind Teil eines noch sehr lebendigen Körpers.
Ich setze mich. Meine Beine sind auf einmal sehr zittrig. Ich weiß nicht, ob ich mich freue oder unter Schock stehe.
»Aber, das hast du dir doch immer gewünscht!«, sagt meine Mutter vorsichtig.
»Ich dachte, ich bekomme einen Stern ...«, sage ich leise und fange an zu weinen.
»Und dann wird ein kleiner Deckel mit Laser von der Hornhaut geschnitten, darunter gelasert und dann wieder zugeklappt«, erkläre ich Zoe die Sache, als wir am nächsten Morgen in der Schulhalle stehen.
Sie starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an. »Aber ... das lässt du doch nicht machen, oder?«
»Doch. Ich habe heute den Termin für die Voruntersuchung. Und, na ja, danach kann ich ohne Brille sehen und das wäre einfach traumhaft.«
»Aber wenn es nicht richtig klappt und du nachher blind bist?«
Ja, das habe ich mir auch schon überlegt und meinen Eltern gesagt. Gestern Abend haben wir noch sehr lange zusammengesessen und sie haben mir die ganze Operation erklärt und mir gesagt, wie sicher und absolut ungefährlich die ganze Sache ist. Der Augenarzt ist einer der besten, die Technik auf dem neusten Stand.
»Zoe, ich bin jetzt schon fast blind. Was habe ich zu verlieren?«
Sie nickt. »Wann ist die OP?«
»Montag. Gleich am ersten Ferientag«
»Soll ich dich begleiten? Deine Hand halten?«
»Meine Mutter fährt mich hin, bei der Operation darf keiner dabei sein und danach fährt sie mich wieder nach Hause, aber ...«
»Ja?«
»Ich fände es schön, wenn du am Abend zu mir kommst und bei mir übernachtest. Denn wenn es klappt, dann kann ich dich am Abend schon richtig klar sehen. Ohne Brille!«
»Mach ich.«
In der Schulhalle entsteht ein kleiner Tumult, weil eine Gruppe mit Skiern und Snowboards von draußen hereindrängt und sich breit macht.
»Die Sport AG«, flüstert Zoe. »Die fahren auf Skireise.«
Zoe reckt unauffällig den Hals, um Luca zu entdecken. Er steht mitten in der Gruppe mit seinem Snowboard und hat sein schwarzes Halstuch über Nase und Mund gezogen, als wäre er schon auf der Piste. Mr. Cool.
»Der Bus ist da!«, brüllt jemand und die ganze Truppe poltert wieder nach draußen. Zoe seufzt.
»Er kommt ja in einer Woche wieder!«, sage ich und sehe der Gruppe von Jungs und Mädchen nach, die laut johlend nach draußen strömt. Eine Woche, denke ich, in der sich mein Leben hundertprozentig verändern wird.
Ich habe einen Termin für Montag und jetzt noch das ganze Wochenende, um vor Angst zu sterben. Die Voruntersuchung ist gut verlaufen. Meine Hornhaut ist dick genug, um sie zu lasern und obwohl der Arzt nicht gerne bei Kurzsichtigen unter 18 Jahren operiert, da sich der Augapfel noch verändern kann, ist er in diesem Fall bereit dazu.
»Es wird alles sehr gut verlaufen«, beruhigt mich der Arzt. »Danach musst du etwa fünf Nächte eine Schlafbrille tragen, die deine Augen schützt und dann ist der kleine Hornhautflap wieder angewachsen und du wirst nichts mehr sehen oder spüren. Ich meine«, verbessert er sich schnell, »von irgendwelchen Narben oder Schnitten.«
»Tut es weh?«, frage ich und fühle mich wie ein Kleinkind.
»Die OP selbst ist praktisch schmerzlos, deine Augen werden betäubt, du spürst nur ein leichtes Prickeln auf der Hornhaut.«
»Bekomme ich keine Narkose?«
Der Arzt lächelt geduldig, es sind vermutlich immer die gleichen Fragen.
»Nein, wir brauchen deine Mithilfe bei der OP. Du musst die Augen geöffnet halten und einen roten Punkt fixieren.«
»Und ich kann am Abend schon wieder sehen?«
»Schon kurz nach der OP wirst du sehen können.«
»Und was ist mit Lesen nach der OP?«
»Das ist am Anfang nicht so einfach, die Augen müssen sich erst daran gewöhnen und außerdem solltest du sie nicht überanstrengen.« Der Arzt lächelt mich an. »Ich schlage Hörbücher vor.«
»Aufgeregt?«, fragt meine Mutter, als wir die Praxis verlassen.
Ich nicke. Am Ausgang steht eine große Plexiglassäule mit Brillen. Die Patienten, die nun sehen können, spenden sie für Afrika. Ich stelle mir vor, wie ich meine Brille dort hineinwerfe und dann nie wieder eine brauche. Höchstens eine Sonnenbrille. Das Gefühl ist einfach großartig.
Am Montagmorgen steige ich zu meiner Mutter in den Mini. Ich trage meine Brille, vielleicht zum letzten Mal.
In der Praxis gibt man mir eine Beruhigungstablette und obwohl ich sonst gegen Tabletten und Drogen jeder Art bin, bin ich doch froh,
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