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Loving

Loving

Titel: Loving Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Bongard
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dass ich bei dieser Sache ein wenig Unterstützung bekomme. Alles fühlt sich an, als wäre es weit weg und easy. Ich habe Tropfen in den Augen, die den Schmerz lindern, alles wird gut.
    In einem Kittel und mit einem Haarschutz betrete ich den OP und lege mich auf einen Behandlungsstuhl. Es ist wie beim Zahnarzt, eigentlich unspektakulär. Bis ein Auge abgedeckt und das andere mit einer Art Augenzange aufgesperrt wird, damit ich es beim Lasern nicht zufällig zuklappe. Das fühlt sich schon schlechter an, eigentlich sogar wie in einem Horrorfilm. Der kleine rote Laserpunkt, auf den ich meine Aufmerksamkeit richten muss, ist weich und verschwommen. Sehe ich den überhaupt richtig? Reicht das?
    »Bitte stillhalten und immer auf den Punkt sehen«, sagt der Arzt und schiebt den Laser über mein Auge.
    Ein Teil von mir ist absolut fasziniert von dem Vorgang. Es ist ein ähnliches Gefühl wie vor ein paar Wochen, als ich das Schweineauge seziert habe. Der Körper ist einfach nur Fleisch und Haut und Knochen und eine ganze Menge Wasser und genauso kann man auch mit ihm umgehen. Da ist der Geruch nach verbrannter Haut und ein Geräusch, als würde ein Spiegelei in der Pfanne gebraten, dabei ist es meine Hornhaut, die gelasert wird. Und dann ist da ein anderer Teil meines ICH, in schriller Panik, der ausflippt und kurz davor ist, von diesem Stuhl zu springen, da er weiß, dass tief in mir etwas wie eine Seele ist, die nun aufgefordert wird, ein wenig mehr ans Licht zu treten und sich zu zeigen. Zu sehen. Und egal wie befremdlich und fleischlich die eine Sache ist, der andere Teil der Übung ist wesentlich schwieriger. Denn ich habe Angst. Vor der Veränderung, davor, dass es keine so gute Entscheidung war. Und ich schließe in Todesangst einen Deal mit meinem Schicksal: Wenn ich das hier lebend und sehend überstehe, dann darfst du alles von mir verlangen!
    »So, du hast es geschafft«, sagt jemand zu mir durch die kleine Nebelwand, die aber nur noch in meinem Kopf existiert. Denn schon als ich mich aufrichte und zur Tür sehe, wo eine Uhr hängt, erkenne ich die Zeit. 12 Uhr. Ich habe hier nur zehn Minuten gelegen und ich kann nun aus zehn Metern die Zeit auf einer Wanduhr erkennen. Und Gesichter.
    »Mama!«
    Meine Mutter strahlt über das ganze Gesicht. Erleichtert und irgendwie auch stolz, dass alles so gut geklappt hat.
    »Ich kann sehen!«
    »Ja, ich weiß, wie das ist«, sagt sie und schmunzelt.
    Ich bekomme meine alte Brille in die Hand gedrückt und eine Sonnenbrille mit extrem dunklen Gläsern.
    »Bitte draußen aufsetzen«, sagt eine Schwester zu mir und gibt meiner Mutter Augentropfen und durchsichtige Kunststoffschalen, die ich mir am Abend vor die Augen kleben muss. Und dann gehe ich tatsächlich noch an der Plexiglassäule vorbei und werfe meine Brille in den Zylinder. Adios Kurzsichtigkeit .
    Am Abend kommt Zoe. Mir geht es nicht mehr ganz so gut, meine Augen brennen und fühlen sich an, als hätte ich Sand unter den Lidern. Ich öffne Zoe die Tür, aber sie kommt nicht herein, sondern wartet. Worauf?
    »Ich bin's, Zoe.«
    »Ich weiß. Komm, rein!«
    Sie grinst und umarmt mich. »Ich wollte dich nur testen.« Sie schiebt mich von sich und starrt mir ins Gesicht, untersucht meine Augen, fixiert meine Pupillen.
    »Was ist?«
    »Ich sehe gar nichts.«
    »Was willst du denn sehen?«
    »Ich weiß nicht ... Narben? Blut?«
    »Gibt es nicht. Das war eine ganz saubere Angelegenheit. Nicht so wie mit den Schweinsaugen.«
    Wir gehen hoch in mein Zimmer, Zoe knallt ihren Rucksack mit ihren Übernachtungssachen neben mein Bett und setzt sich auf die Bettkante.
    »Es hat also geklappt.«
    »Ich denke schon.«
    Sie nickt und starrt mich an. Langsam finde ich ihr Verhalten merkwürdig, schließlich bin ich diejenige, die jetzt sehen kann und sie anstarren müsste. Ich setze mich neben Zoe.
    »Was ist los?«
    »Weißt du was?«
    »Nein.«
    Sie blinzelt. »Du hast tolle grüne Augen. Die sind ja riesig. Das habe ich gar nicht gewusst.«
    »Die Brille hat meine Augen verkleinert.«
    »Ja, aber ...« Sie mustert mein Gesicht. »Darf ich?«
    »Die Augen bitte nicht anfassen.«
    Sie lacht. »Nein, ich wollte nur ...« Sie streicht meine Haare zur Seite, bauscht sie leicht auf. »Du brauchst einen neuen Haarschnitt. Und Farbe. Etwas blonder am besten.«
    »Zoe? Ich bin nicht Melanie. Ich bin sehr zufrieden mit meinen Haaren und zur Zeit reicht mir eine Veränderung vollkommen aus.«
    Wobei nicht stimmt, dass ich zufrieden mit meinen

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