Loving

verpasst?«
    Er grinst. »Nicht viel. Du hättest den Altersdurchschnitt allerdings auf etwa sechzig gesenkt, wenn du gekommen wärst.«
    Ich muss grinsen.
    Wir stehen in einer losen Gruppe zusammen und hören dem Mix von Sven zu. Melanie hat uns entdeckt, bleibt aber auf Abstand, worüber ich einigermaßen froh bin. Max beugt sich alle drei Minuten zu mir herunter und schreit mir etwas ins Ohr, was Zoe nur mit missbilligenden Blicken kommentiert. Luca steht auf seine Krücken gestützt und starrt auf die Bühne. Nach zwanzig Minuten muss Sven den Platz an den Turntables freigeben, da der Nächste auflegt. Ich weiß, dass Zoe nur auf diesen Moment gewartet hat.
    »Komm, wir gehen nach vorne!«
    Ich will nicht weg von Luca, aber ich weiß nicht, wie ich es Zoe klarmachen kann, ohne es laut herauszuschreien, also folge ich ihr. Sie winkt Sven zu, der seinen Laptop einpackt und den Platz für den nächsten freigibt. Er nickt zurück, wird aber sofort von einigen Kumpels umringt. Als ich mich unauffällig umdrehe, steht Melanie bei Luca. Und flirtet mit ihm. Ich sehe es genau. So, wie sie ihre Arme hochwirft und lächelt und ihn wie unabsichtlich berührt. Max kommt mit drei Bier zu uns und verteilt sie. Für sich ein alkoholfreies, für uns normale. Ich trinke sofort, aus Stress, denn eigentlich mag ich kein Bier. Zoe ignoriert Max, also rede ich freundlicherweise mit ihm.
    »Warst du schon mal hier?«
    Er zuckt mit den Schultern. »Früher öfter.«
    Der nächste DJ legt auf. Während Sven Techno bevorzugt hat, gibt es nun einen Independent Mix.
    »Wollen wir tanzen?«, brüllt mir Max ins Ohr.
    Ich habe viele Erinnerungen an Max. Er war mit Zoe und mir im Kindergarten, er hat mich mit Kartoffelpüree beworfen und beim Fangenspielen meistens auf den Boden geworfen. Er hat mir und Zoe immer das Gefühl gegeben, dass wir ihm niemals, in keiner noch so fernen Zukunft ebenbürtig sein können. Und dieser Max fordert mich nun zum Tanzen auf. Das ist ein wenig unheimlich. Ich nuschele etwas Undeutliches, was hoffentlich als Nein, danke ankommt. Aber das hat noch nie geklappt, wenn Max etwas von mir wollte und das weiß er. Er nimmt mir die Bierflasche ab und stellt sie mit seiner auf einen Tisch, dann zieht er mich auf die Tanzfläche. Ich zögere kurz, mein Blick fällt auf Luca, der mit Melanie redet und mich wieder ignoriert. Also beschließe ich zu tanzen, wie ich es in vielen Tanzstunden in meinem Zimmer zu den Songs von Daughter ausprobiert habe.
    Der Song ist noch nicht zu Ende, aber Zoe zieht mich am Ärmel und formt mit ihrem Mund etwas, das wie raus! aussieht. Ich nicke entschuldigend zu Max und folge ihr durch die Menge. Im ersten Moment ist die Kälte draußen eine Abkühlung, dann schlinge ich fröstelnd meine Arme um den Körper. Auch, um mich schon mal zu verteidigen, denn Zoe sieht mich mit funkelnden Augen an.
    »Was machst du?«
    »Wieso? Ich habe getanzt.«
    Sie verdreht die Augen. »Ella, ich dachte du bist an Luca interessiert? Und dann tust du so, als läge dir etwa an Max. Ich meine: Max!«
    »Weil er dein Bruder ist?«
    »Ja, zufällig auch deswegen, aber in diesem Fall auch, weil du gar nichts von ihm willst. Was ist mit Luca?«
    »Der flirtet mit Melanie.«
    Zoe wischt meine Bemerkung einfach weg. »Melanie flirtet mit ihm . Und zwar, weil er sich für dich interessiert. Das fordert sie eben heraus. So ist Melanie.«
    Es kommen ständig Leute aus dem Club oder gehen nach der Rauchpause wieder hinein und jedes Mal, wenn sich die Tür öffnet, erwarte ich Luca. Hoffe, dass er es ist.
    Zoe schaut mich kritisch an. »Bist du betrunken?«
    Ich habe höchstens eine halbe Flasche Bier getrunken, aber vermutlich reicht auch ein Teelöffel Alkohol, um mich betrunken zu machen.
    »Nein, ich ....«
    Sie kommt näher und untersucht meine Augen.
    »Was ist?«
    »Drogen?«
    »Seit wann nehme ich Drogen?«
    »Ich weiß nicht, du bist in letzter Zeit so seltsam. Bist du verliebt?«
    »Wieso denn?«
    Es war ein halbherziger Versuch und Zoe merkt es sofort.
    »Na endlich!«
    Sie umarmt mich mit einer Mischung aus Begeisterung und Mitleid. Ich kann beides gebrauchen.
    »Du frierst ja total«, sagt sie mütterlich und massiert meine Arme. »Wir gehen jetzt rein und dann hole ich uns einen Kaffee.«
    Die Tür öffnet sich wieder. Diesmal kommt tatsächlich Luca heraus. Eine kurze Wärmewelle jagt durch meinen Körper.
    »Also, ich hole dann mal den Kaffee, warte hier«, sagt Zoe überlaut und verschwindet nach