Loving
Lasik? Jetzt, wo du sehen kannst. Bestimmt gut, oder?«
Ich weiß nicht genau, was ich dazu sagen soll. Es ist toll, einfach großartig, keine Brille mehr tragen zu müssen. Aber auch sehr anstrengend, die Welt klar und scharf zu sehen. Vorher konnte ich die Brille einfach abnehmen. Dann war alles verschwommen, wie ein Filter vor der Welt. Weichgezeichnet.
»Ja, es ist gut. Willst du es auch machen lassen?«
Melanie seufzt. »Meine Eltern bezahlen es nicht. Zu teuer. Ich weiß gar nicht, warum ich kurzsichtig bin? Ich bin die einzige in der Familie.«
»Meine Mutter denkt, es kommt vom Lesen bei schlechtem Licht.
Melanie grinst. »Na, davon kann es bei mir nicht kommen. Ich lese so wenig. Aber du liest viel, oder? Du hast doch sogar einen Buchblog.«
»Ja, seit zwei Jahren.«
»Cool. Luca hat davon erzählt. Ich glaube, der ist echt dein Fan.«
Sie lacht, als wäre das undenkbar. Und vermutlich findet sie es erst recht undenkbar, dass er sich für mehr als meinen Blog interessiert.
»Na, dann ...«
Ich gehe zu meinem Rad, schließe es auf, steige auf. Ich bin verletzt und sauer auf Melanie, die sich nicht vorstellen kann, dass sich jemand wie Luca für mich interessiert. Noch nicht mal vorstellen kann, dass er meinen Blog liest. Eine Wutwelle schäumt auf, schlägt über mir zusammen und füllt den Raum aus, wo sich gerade noch mein schlechtes Gewissen befunden hat. Dann beruhige ich mich. Es ist nicht Melanies Schuld, dass ich unsichtbar bin, unsichtbar war. Und mit einem Mal weiß ich, was ich gerade erhalten habe. Eine erstklassige Nachhilfestunde in Sachen Beziehung.
Ich radele schnell nach Hause, stürme in mein Zimmer und setze mich vor meinen Mac. Ich habe Luca Unrecht getan, die verdammten Vorurteile. Ich öffne die Schulwebsite und gehe zu der Seite von Darcy. Ich bin Darcy, stolz und verletzt, dabei habe ich alles nur falsch interpretiert.
Ich habe Elisabeth zum ersten Mal auf diesem Ball gesehen. Ich bin kein Mensch, der sich auf solchen Festen sonderlich amüsiert. Tanzen, sich umeinander drehen und gezierte Gespräche führen, das alles interessiert mich nicht. Denn dabei geht es doch nur um eines: Frauen, die geeignete Partner finden wollen, um sie an sich zu binden. Sie fiel mir auf. Ich hielt sie für oberflächlich und eitel, was mir durch ihr Verhalten bestätigt wurde. Und ihre Freunde erst! Laut und respektlos.
Als sie etwas später bei mir zu Besuch war, kam sie mir einfühlsamer und intelligenter vor und ich begann mich für sie zu interessieren. Sie war nicht so dumm und plump wie ich dachte. Im Gegenteil, sie wirkte auf mich verletzlich und stolz. Wir redeten, aber die ganze Zeit gab es eine Spannung, die sich nicht entlud. Und dann, als ich sie zur Kutsche führte und ihre Hand berührte, geschah es. Etwas sprang über und ich wusste, dass nicht nur unser Geist, sondern auch unserer Körper perfekt miteinander harmonieren. Ich löste mich auf in ihr, ein Gefühl, das ich vorher nicht kannte. Ist das Liebe?
»Was soll ich anziehen?«
Zoe steht vor ihrem Kleiderschrank und sieht mich fragend an.
»Zur Lesung oder für die DJ Lounge?«
Sie legt den Kopf schief und macht ein vorwurfsvolles Gesicht
»Es ist ja wohl egal, was ich zu der Lesung anziehe, oder?«
Habe ich es mir zu leicht gemacht? Eine Jeans und ein T-Shirt. Passend sowohl für eine Lesung als auch für einen Club. Vielleicht hätte ich mich raffinierter anziehen sollen. Sexy. Aber ich bin mir sicher, dass meine Kleidung heute der aller unwichtigste Punkt sein wird, denn schon, wenn ich an Luca denke, springt mir das Herz aus der Brust. Bis vor kurzem dachte ich noch, mein Verstand wäre zu viel mit ihm beschäftigt, aber nun ist mein Kopf das kleinere Problem, denn mein Körper hat sich einfach selbständig gemacht und verlangt nach seinen Berührungen, nach seiner Nähe und hat meinen Verstand in Geiselhaft genommen. Ich habe gestern einen ganzen Deutschblock neben Luca gesessen und versucht, dem Unterricht zu folgen. Während er sich mit einem Bleistift unter seinem Aircast gekratzt hat, habe ich an die Tafel gestarrt und vorgegeben, ein Gedicht von Hölderlin zu analysieren. Doch in Wirklichkeit habe ich nur Lucas Anwesenheit neben mir gespürt, seinen Atem, seine Nähe. Luca ist höflich, aber reserviert zu mir. Und ich verhalte mich genauso. Es gibt tausend Fragen, aber wir sind wohl beide viel zu stolz, diese Fragen zu stellen. Vielleicht ist es ihm auch egal, was ich denke oder fühle.
»Und? Was
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