Loving
da aus und ich weiß warum. Ich bin todmüde. In Leipzig war ich voller Energie, ich bin von alleine früh aufgewacht, das Leben war großartig, weil ich mit Luca zusammen war. Oder dachte, ich wäre mit ihm zusammen. Jetzt möchte ich am liebsten den halben Tag im Bett verbringen und mich verkriechen.
Trotzdem stehe ich mit dem Rest von Selbstdisziplin auf, den ich noch aktivieren kann, ziehe meine Sportsachen über und gehe nach unten. Auf der Treppe stelle ich den Wecker meines iPhones, der mich daran erinnern soll, wann ich zurücklaufen muss.
In unserer Wohnküche steht mein Vater in Jeans und T-Shirt, seiner Wochenendkleidung, und räumt die Küche auf.
»Ich laufe noch eine Runde!«
Er nickt.
Es ist etwas wärmer geworden und sonnig. Ich gehe von unserem Haus immer bis zum Park, um mich aufzuwärmen und laufe erst dort los. Kaum wechsle ich vom Asphalt auf den weichen Boden im Park, setze ich mich automatisch in Bewegung, trabe langsam und steigere mein Tempo dann schnell. Da ich immer dieselbe Strecke wähle, kenne ich sie sehr gut. Den Baumstumpf hinter der ersten Biegung, die kaputte Bank, die hellblaue Plastiktüte, die halb unter dem Laub liegt und die ich jedes Mal aufheben will, aber es dann doch nicht tue, weil ich meinen Lauf nicht unterbrechen möchte. Auch diesmal laufe ich weiter, mein Atem wird gleichmäßiger, die Gedanken beruhigen sich. Alles ist gut. Oder könnte gut sein. Mit Alex, der mich mag und an dem es einfach nichts auszusetzen gibt. Oder?
Ich spüre, wie mein Körper warm wird, die Bewegungen geschmeidig, der Atem nicht nur regelmäßig, sondern unauffällig und leicht. Die Sonne fällt schräg durch die kahlen Baumkronen, ich freue mich auf den Frühling, die Blätter, das Grün, überhaupt, die Zukunft. Immerhin, vor ein paar Tagen war das noch unmöglich. Die Parkanlage geht irgendwann in ein kleines Wäldchen über, aber auch hier gibt es angelegte Wege. Ich mag diesen Bereich des Parks besonders, er ist rauer und dichter, die Wege sind enger und ich muss auf Baumwurzeln achten.
Ich höre einen Radfahrer hinter mir. Zum Glück ohne Hund. Kein Gehechel. Ich weiche aus, um ihn durchzulassen, doch er fährt nicht vorbei, sondern bleibt auf meiner Höhe.
»Ella?«
Ich sehe erstaunt zur Seite. Luca! Auf seinem Mountain Bike.
»Hallo«, sage ich möglichst neutral, obwohl mein Herz rast. Ich richte den Blick sofort wieder nach vorne und laufe weiter. Ich erwarte, dass Luca an mir vorbeizieht, aber stattdessen hält er mein Tempo.
»Seit wann läufst du?«
»Seit einem Monat«, antworte ich knapp. Ich will meine Atmung nicht durcheinander bringen, obwohl es dafür eigentlich schon zu spät ist.
»Wow. Tolles Tempo.«
Er bleibt neben mir. Ich denke daran, dass ich ungeschminkt bin, meine Haare ungekämmt und ich sie nur schnell zu einem Zopf gebunden habe. Gleichzeitig ärgere ich mich über diese Gedanken. Es ist doch egal, wie ich aussehe. Ich jogge. Aber es ist mir nicht egal. Aus den Augenwinkeln sehe ich Luca. Er trägt ein hellgraues weites Kapuzenshirt, was ihm fantastisch steht, eine dunkelgraue Jogginghose und halbzerfetzte Turnschuhe. Er sieht aus wie ein Modell, während ich langsam zu schwitzen anfange und wie üblich ein knallrotes Gesicht dabei bekomme.
»Läufst du immer die gleiche Strecke?«
Ich nicke.
»Trainierst du für was?«
Ich schüttele den Kopf. Was für eine grandiose Unterhaltung! Oben am Ende des Parks biege ich ab. Wenn Luca auf dem Weg nach Hause ist, müsste er nun weiter geradeaus fahren. Doch er bleibt neben mir und etwas in mir jubelt. Bin ich so leicht zurück zu gewinnen? Melanie ist auf Mallorca, ist das der Grund, warum Luca jetzt nicht sofort nach Hause fährt? Ich werde langsamer und gehe schließlich. Luca hat sein Tempo angepasst und taumelt auf seinem Rad neben mir her. Die Sonne bildet Flecken auf dem Waldboden. Es ist angenehm warm. Ich genieße den Augenblick, die Wärme meines Körpers, Luca neben mir. Obwohl ich keine Ahnung habe, was genau los ist, was er von mir will, was hier gerade geschieht.
»Wie geht es deinem Bein?«, frage ich.
Er zuckt mit den Schultern. »Besser. Ich versuche auch, zu laufen, geht aber noch nicht so richtig.«
Wir verlassen den rauen Teil des Parks, der Weg führt nun an großen Rasenflächen vorbei. Im Sommer wird hier Fußball gespielt oder Federball, jetzt sind die Wiesen leer. Auf Höhe des Parkspielplatzes macht Luca eine Kopfbewegung.
»Hier trainiere ich immer. Hast du Lust
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