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Luc - Fesseln der Vergangenheit

Luc - Fesseln der Vergangenheit

Titel: Luc - Fesseln der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Ross
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einem triumphierenden Schrei wieder in die Höhe und hielt dabei etwas in den Klauen.
    Andere hätten vielleicht Mitleid mit dem Nagetier gehabt, aber für Jasmin lagen die Fakten auf dem Tisch: Jäger und Beute, das war fair, und das Nagetier hatte seine Chance gehabt. Die Natur sorgte auf ihre Art für ein Gleichgewicht, ganz im Gegensatz zu den Menschen, die aus dem Hinterhalt zuschlugen, ohne Rücksicht und ohne Gnade.
    Sie schüttelte den Kopf und versuchte, den Frieden wiederzufinden, den sie noch kurz zuvor empfunden hatte, aber der Augenblick war vorbei, genauso verschwunden wie der Adler, der mittlerweile vermutlich irgendwo außerhalb ihrer Sicht seine Beute verspeiste. Es war Zeit, sich wieder mit der Gegenwart auseinanderzusetzen. Die Pistole an ihrem Oberschenkel und das Gewehr in ihrer Hand boten zwar einen gewissen Schutz gegen Überfälle, aber wenn es eine ausreichend große Gruppe entschlossener Männer darauf anlegte, hatte sie keine Chance. Das Gewehr locker im Anschlag lauschte sie, dann war sie sicher, dass ihr mindestens ein Fahrzeug, vielleicht auch mehrere, auf der Serpentinenpiste entgegenkamen.
    Rasch holte sie ihr Tuch vom Beifahrersitz und wickelte es sich um den Kopf, um ihre blonden Haare zu verbergen. In diesem Teil des Landes galten für Frauen bestimmte Vorschriften und egal, was sie davon hielt, gab es keinen Grund, die Sitten und Gebräuche zu ignorieren und die Einheimischen zu beleidigen.

2
    Als die Silhouetten zweier Fahrzeuge sichtbar wurden, senkte Jasmin den Lauf ihres Gewehres, bis er zu Boden zeigte. Es war in Ordnung, Stärke zu zeigen, das wurde akzeptiert, eine Bedrohung ohne ersichtlichen Grund konnte hingegen zu einer Auseinandersetzung führen, die nur Verlierer kannte. Das Faltdach des ersten Jeeps war offen, so dass Fahrer und Beifahrer aus Schutz vor dem allgegenwärtigen Staub ihre Köpfe mit einem ähnlichen Tuch verhüllt hatten, wie sie es selbst trug. Damit hatte sie keinen Hinweis auf die Identität der Männer. Der Fahrer stoppte dicht vor ihrem Range Rover und sprang aus dem Wagen. Mit einer Handbewegung befahl er seinen schwer bewaffneten Begleitern, sich zu verteilen. Es hätte des beiläufigen Winkens der Männer in ihre Richtung nicht bedurft, mittlerweile ahnte sie, wer ihr Empfangskomitee war.
    Ihre Anspannung wich einem Gefühl der Vorfreude. Auch wenn sie sich bemüht hatte, eine gefühlsmäßige Distanz zu bewahren, hatte Hamid es geschafft, eine persönliche Beziehung zu ihr aufzubauen. Es war ihr unmöglich gewesen, sich seiner ruhigen Art zu entziehen, und die Begeisterung seiner Frau und seines Sohnes über ihre Besuche war so echt, dass sie ansteckend wirkte.
    »Ich konnte es nicht glauben, dass jemand so verrückt ist, den Pass zu benutzen. Ich dachte, der wäre unpassierbar.« Hamids braune Augen funkelten amüsiert, ehe er sie ernst ansah. »Wieso testest du ständig den Willen Allahs? Es gibt eine normale Piste, die wesentlich leichter zu befahren ist und die du kennst. Im Gegensatz zu uns brauchst du den ISAF -Truppen nicht ausweichen, oder gibt es etwas, das du mir erklären möchtest?«
    In den letzten Jahren war Hamid fast so etwas wie ein Bruder für sie geworden, und die Versuchung wurde fast übermächtig, ihm alles zu erzählen. Jasmin spürte ihre Mundwinkel zittern und riss sich zusammen. Es gab keinen Grund, Hamid mit ihren eigenen Dämonen zu belasten, er hatte genug Probleme. Und wie sollte er ihr helfen? Selbst wenn er sich vielleicht damit abfinden würde, dass sie früher für den Feind, die CIA , gearbeitet hatte, konnte sie ihm kaum erzählen, dass sie heute auf der Flucht vor ihren ehemaligen Kollegen war. Sein Beschützerinstinkt würde ihn dazu bringen, sie im Dorf zu behalten. Es gab keinen Ausweg. Mit ihren Problemen musste sie selbst fertig werden. »Ich freue mich auch, dich zu sehen.«
    Körperkontakte zwischen Frauen und Männern ohne verwandtschaftliche Beziehung waren in Afghanistan selbst in den Städten eher die Ausnahme, aber Hamid umarmte sie herzlich. Die Geste überraschte sie nicht, schließlich war er auch bereit gewesen, die medizinische Versorgung der Dorfbewohner einer Frau zu überlassen. Zunächst hatte sie auf die ungewohnte Toleranz eines Talibananführers gegenüber westlichen Sitten erstaunt und sogar misstrauisch reagiert, dann jedoch erfahren, dass seine Mutter aus England stammte und sein Vater in London studiert hatte.
    »Ich mache mir eben Sorgen um dich, Jasmin.« Lächelnd zog er ihr

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