Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Luc - Fesseln der Vergangenheit

Luc - Fesseln der Vergangenheit

Titel: Luc - Fesseln der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Ross
Vom Netzwerk:
Körpertemperatur gefällt mir nicht. Aber wir können ihn erst mal in den Schatten bringen.«
    Die Anweisung wurde zwar befolgt, aber das leise Getuschel hörte nicht auf. Neben ihrem neuen Spitznamen hörte sie jedoch auch besorgte Töne heraus. Ihr unerwarteter Patient würde auch ohne sie noch ein paar Minuten überleben, deshalb wandte sie sich erneut an Hamid. »Wer ist der Mann und was ist ihm passiert?«
    »Die erste Frage kann dir nur dein neuer Verehrer selbst beantworten. Ich weiß es nicht. Ich kann dir nur sagen, dass die internationalen Truppen seit drei Tagen jemanden intensiv suchen, aber Näheres ist nicht bekannt. Bis hierher sind sie noch nicht vorgestoßen, sondern konzentrieren sich auf ein Gebiet weiter südlich von hier. Meine Quellen können nicht einmal mit Gerüchten aufwarten. Warzai brüstete sich damit, dass der Mann ihm in eine Sprengfalle geraten ist und er ihn anschließend in einem harten Kampf überwältigt hat. Dabei sollen Dutzende Soldaten auf der Strecke geblieben sein. Aber das kann nicht stimmen, das wissen wir beide. Niemand ist nach einer solchen Explosion noch in der Lage, sich zu wehren, und es gibt auch keine offiziellen Berichte der Nato über Verluste. Aber egal, Warzai wird in Pakistan erwartet und hat die Gelegenheit genutzt, seinen Gefangenen hier sozusagen zwischenzuparken. Überlebt der die Zeit bis zu seiner Rückkehr nicht, hat er endlich den idealen Vorwand, gegen mich vorzugehen.«
    Damit hatte Jasmin ihre Antwort, aber die gefiel ihr überhaupt nicht. Warzai beschwerte sich seit Monaten, dass Hamids Einstellung nicht den traditionellen Werten entsprach. Nach ihrer Einschätzung war Warzai lediglich neidisch auf Hamids Ansehen und seine Erfolge beim Aufbau des Dorfs. Dabei verdiente Warzai ein Vermögen mit dem Opiumhandel, steckte aber sein gesamtes Geld in neue Waffen.
    Bisher hatte Warzai nicht gewagt, Hamid offen anzugreifen, weil er die Kampfkraft von Hamids Männern kannte und für seine Gehässigkeiten keine Anhänger in den umliegenden Dörfern gefunden hatte. Mit dem Tod eines Mannes, auf den er Anspruch erhob, konnte sich die Lage jedoch komplett ändern.
    »Und wenn ich ihn wieder zusammenflicke, wird Warzai ihn sich holen und ihn vor laufender Kamera ermorden. Das wäre ja nicht das erste Mal, fragt sich nur, ob er dieses Mal dazu steht, um seinen Ruf als kompromissloser Anführer zu polieren, oder ob er wieder dir die Schuld in die Schuhe schiebt. Verdammt, wenn er doch nur an einem Handel mit der Regierung oder den Truppen interessiert wäre. Wetten, dass Warzai sich alles genau überlegt hat? Er wusste bestimmt, dass ich unterwegs bin. Perfektes Timing für ihn, denn einen bewusstlosen, halbtoten Mann umzubringen, ist verschwendetes Filmmaterial. Das will im Internet keiner sehen und schädigt seinen Ruf nur.«
    »Ich sagte dir, dass es dir nicht gefallen wird.«
    Die Lage war aussichtslos. Warzais Aufenthalt in Pakistan würde nicht ewig dauern. Half sie dem Mann nicht und er starb, brachte sie Hamid und sämtliche Dorfbewohner in Gefahr, weil Warzai ihn für den Verlust seines Gefangenen zur Rechenschaft ziehen würde. Wenn sie ihm mit Flüssigkeit und den richtigen Medikamenten das Leben rettete, würde Warzai ihn zurückfordern und sie lieferte den Unbekannten einem Schicksal aus, das an Grausamkeit nicht zu überbieten war. Der Tod durch Dehydrierung war wenigstens sanft und schmerzfrei, nichts im Vergleich zu dem, was Warzai für ihn bereithielt. Verhalf sie ihm zur Flucht, überließ sie Hamid und das Dorf Warzais Rache und verlor alles, was sie in den letzten Jahren aufgebaut hatte.
    Hamids Miene lieferte ihr keinen Hinweis, was er dachte, geschweige denn vorhatte. Aber ihr Freund hatte letztlich keine Wahl. Er musste tun, was Warzai verlangte, denn er konnte das Leben der Dorfbewohner nicht für einen Unbekannten aufs Spiel setzen, der höchstwahrscheinlich zu seinen Feinden gehörte.
    Als ob das an Problemen nicht schon reichen würde, ging ihr der kurze Blickkontakt mit dem Verletzten nicht aus dem Kopf. Mit dem einen Wort hatte der fremde Mann etwas in ihr berührt, das sie längst für tot gehalten hatte.

3
    Das Haus bestand aus einem Raum und einem abgetrennten Verschlag, der sonst als Schlafgelegenheit für Kinder diente. In einer Nische stand ein verlassener Gaskocher, mitten im Raum ein einzelner Stuhl und auf dem Boden lagen zwei Matratzen, aber die Mauern aus groben Ziegelsteinen hielten die Hitze draußen und sorgten für ein

Weitere Kostenlose Bücher