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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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wenn sie entdeckten, was sie fesselte - dies durch ein kurzes Aufleuchten signalisierten.
    Ich sah seine geschwungenen Lippen, die er Tag ein, Tag aus mit Bissen malträtierte, ohne sich jedoch dessen bewusst zu sein. Seine Verletzlichkeit sah ich ebenso wie den Verstand, der hinter dieser hohen Stirn arbeitete. Und seine linkische Schönheit.
    Lorenzo war immer der Umschwärmte gewesen, früher, der seine Bewunderer jedoch stets verscheuchte, wie ein Lesender lästige Fliegen von einem Buch.
    Er machte sich nichts aus Menschen, genügte vollauf sich selbst.
    Erst jetzt sollte ich erfahren, dass das so nicht stimmte. Er hatte nur einfach nicht in sein Umfeld gepasst - oder besser, sein Umfeld nicht zu ihm. Ich musste an Ricardo denken, an das Gespräch in unserer ersten Nacht in Ravenna.
    Wir beide passten nun auf einmal, und dadurch war es mir gegeben, ihn neu zu erleben.  
    Und auch das hatte Ricardo versucht, mir begreiflich zu machen: Dass wir mehr gemeinsames hätten, als ich es damals wahrhaben wollte.
    Ricardo hatte Recht behalten. So war es.
     
    Aber noch jemanden gab es, der zu uns passen sollte. Zumindest ein Stückweit...
    Anfang Juli war es, da klopfte es eines Samstagmorgens an der Tür.
    Wir saßen gemeinsam in der Küche, tranken Caffè und erwarteten niemanden, also überließen wir es Pius, zu öffnen.
    »Für euch...«, rief dieser nur. Was folgte, war das Klappen seiner Zimmertüre.
    Und da stand auf einmal – inmitten des Türrahmens – Matteo.
    Wir waren fassungslos.
    Er war alt geworden. Das war der erste Gedanke, der durch meinen Kopf schoss, und - er war hier ...  
    Gerade dies war so dermaßen unglaublich für mich, dass ich es im ersten Moment überhaupt nicht begriff. Dann endlich löste ich mich aus meiner Erstarrung, sprang mit einem Aufschrei auf und umarmte ihn stürmisch.
    Lorenzo tat es mir nach, mit deutlich weniger Enthusiasmus, viel vorsichtiger, aber auch er freute sich sichtlich, ihn zu sehen.
    Matteo war mit dem Zug gekommen, hatte sich ein Zimmer nahe der Oper gegönnt und ein Taxi genommen, um zu uns zu gelangen.
    Nach der Begrüßung nahm Matteo mein Gesicht behutsam in beide Hände und begutachtete prüfend meine Augen. Seine Finger strichen dabei vorsichtig über meine Wangenknochen. Schließlich nickte er ernst.
    »Man sieht es wirklich kaum...«
    Danach schloss er mich in seine Arme und drückte mich fest und ausdauernd. Ich spürte, wie er zitterte.
    »Mach so etwas nie wieder, Kleiner, hörst du mich... Egal, was auch immer vorgefallen ist.«
    Er erdrückte mich fast, ließ aber plötzlich von mir ab und sah mich beinahe ärgerlich und herausfordernd an. »Deine Familie muss wissen, wie es dir geht, Luca... Das steht uns zu. Wir haben dich schließlich groß gekriegt...« Dann nickte er wie zu sich selbst und fügte noch ein »...Wir alle...«, hinzu.
    »Renzo-mio...«, schwenkte er plötzlich um und widmete sich nun ganz meinem Bruder, und auch er wanderte in die Arme meines Großvaters.
    »Was soll ich nur mit euch beiden machen...?«
     
    Frischgebackene Cantuccini waren etwas, dem unser Großvater nicht widerstehen konnte.
    »Valentinas Rezept...«, merkte er an, »...aber fruchtiger...«
    »Etwas mehr Limettenschale und ein Schuss Orangenlikör...«
    Meine Cointreau-Zeit halt.
    »Ich werd’s ihr ausrichten...«
    Der Gedanke an meine Mutter versetzte mir einen Stich.
    »Wie geht es ihr...?«, fragte ich und stellte erschrocken fest, dass meine Stimme belegt klang, so, als wollten die Worte nicht wirklich aus mir heraus.
    »Sie hat viel mit Anna zu schaffen...« Er sah zu mir, dann zu Lorenzo. »Jetzt, wo ihr beide aus dem Haus seid, bleibt nicht mehr viel. Da konzentriert sich eben alles auf Anna«
    Ich hörte genau hin, aber es klang kein Vorwurf durch.
    »Weiß sie... von dem hier?« Ich tippte an meine linke Schläfe.
    Der Alte nickte. »Darum bin ich hier. Natürlich weiß sie es. Beide wissen sie es. Und sie machen sich schreckliche Sorgen um dich... Beide... um euch...«
    » Darum bist du hier?« Lorenzo klang misstrauisch. »...Wegen Lucas Auge?«  
    Matteo schüttelte den Kopf und pulte sich eine Zigarette aus seiner Schachtel. »Wegen der Familie , mein Junge. Wegen der Familie!«  
    Es würde nicht leicht werden, das war jetzt klar. Aber klar war auch, dass es irgendwann einmal dazu kommen musste. Warum dann also nicht jetzt?
    Die Aussprache also...
     
    Verletzungen, die man sich innerhalb der Familie zufügt, heilen anders aus als die unter

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