Luca's Rezepte
Freunden.
Es bleiben sichtbare Narben zurück. Schmerzende, sichtbare Narben. Und manche Wunden schließen sich nie...
Vergebung. Vergebung ist ein großer, ein durch und durch christlicher Begriff und vielleicht ist er mir mittlerweile deshalb so zuwider. Die Selbstgerechtigkeit, die dahinter steht, ist es wohl, die mich abstößt. Vergebung, Gnade, Schuld, Sühne, Buße, Demut... alles entstammt der selben widerlichen Brutstätte. Begriffe, die nur eins im Sinne haben: Den Menschen platt am Boden halten und den Klerus hoch oben auf dem Thron...
Herrje, ich dachte schon genau wie Shiro. Es war eines seiner Lieblingsthemen.
Aber auf einmal ging es nun wieder darum, und das versuchte ich Matteo klar zu machen. Wir beide versuchten es, denn Lorenzo dachte durchaus in die gleiche Richtung.
Und wir erreichten seine Grenzen. Ich denke nicht, dass er uns verstand.
Denn er glaubte an die Vergebung...
Sicher, sein Herz erreichten wir schon, denn wir liebten uns ja. Was wir jedoch nicht hinbekamen war, seiner Sicht einen offenen Blick zu vermitteln.
Matteos Rezept war einfach: Man gehe aufeinander zu, erinnere sich dabei seiner Wurzeln und der guten Dinge, die gewesen sind, dann nehme man sich in die Arme und vermeide in Folge jegliche Themen, die zum Konflikt führen könnten.
Ich glaube, Millionen von Familien praktizieren es auf diese Weise, und es funktioniert nicht. Die Wunden sitzen zu tief.
Womit Matteo nicht gerechnet hatte: Mein Selbstbewusstsein war mittlerweile ein anderes geworden, ebenso das von Renzo. Mir stieg zum Beispiel nicht mehr die Schamesröte ins Gesicht, wenn ich über meine Beziehung zu Shiro sprach - sie erfüllte mich mit Stolz.
Das war eine dieser Grenzen für den alten Mann. Und in der Zeit, die er bei uns war, überschritt ich sie ständig, diese Grenze. Wir beide taten das.
Es war aber auch in Ordnung. Schließlich bewegten wir uns auf unserem Terrain. Unserem Großvater wurde nur sehr bald klar, dass seine Mission, in der er unterwegs war, scheitern musste.
Aber dennoch: Wir hatten eine schöne, eine gute Zeit miteinander, denn - wie gesagt - wir liebten uns ja.
Für den ersten Abend reservierte ich einen Tisch im Carciofi.
Matteo sollte ruhig sehen, in welcher Liga ich jetzt spielte. Auch darauf war ich stolz.
Stolz - ein ganz und gar unchristliches Wort. Eines, das mit 'gerade gehen' zu tun hat. Mit dem Wissen um die eigene Kraft...
Und Matteo war beeindruckt.
Wir saßen in dem begrünten kleinen Hof, der an das Restaurant angrenzte, im Schein vieler Kerzen und genossen die Empfehlungen des Hauses.
Vorweg ein Wirsingsüppchen mit Ravioli von Weinbergschnecken, gefolgt von Flusskrebsen auf einem Algen-Risotto. Als Hauptgang servierte Luisa uns schließlich einen punktgenauen Ochsenrücken mit Markkruste an einer absolut unwiderstehlichen Ochsenschwanzsauce. Zum Abschluss gab‘s eine Käseauswahl mit von mir zubereiteten Chutneys.
Sowohl das Menü als auch die begleitenden Getränke waren Spitzenklasse.
Das wusste ich, das wusste Lorenzo, und das merkte vor allem Matteo.
Und er begriff nun auch, dass dies das Niveau war, auf dem ich zur Zeit arbeitete. Mein Level quasi. Denn an dieser Tatsache ließ Luisa den ganzen Abend über keinen Zweifel. Auf charmante Art und Weise. Sie wusste ja, aus welchem Stall ich kam, wer mir meine Grundlagen vermittelt hatte. Was lag da näher, als meinen Großvater mit Komplimenten zu umwerben.
Ich ließ es geschehen, und ich freute mich ehrlich zu sehen, welchen Genuss dieser Abend Matteo bereitete. Wir konnten vielleicht unterschiedlicher Meinung sein, doch in Momenten wie diesen gehörte das ausgeklammert. Denn ein gutes Essen, da waren wir uns einig, sollte niemals mit Problemen serviert werden.
»Dir ist schon klar, dass deine Eltern von mir erwarten, dass ich dich dazu bekomme, mich nach Fano zu begleiten...?«
Ich nickte. So etwas in der Art hatte ich mir schon gedacht.
»... Als einen ersten Schritt sozusagen. Ein Zeichen des guten Willens ...«
»Ich werde nicht mitkommen!«
Kopfschüttelnd griff ich mir eine seiner Zigaretten und steckte sie an. Lorenzo hatte vorgegeben, müde zu sein und hatte sich schon in seine Kammer zurückgezogen, doch ich vermutete, er wollte Matteo und mir einfach die Möglichkeit geben, miteinander zu reden.
»Zum einen habe ich hier jede Menge zu tun, ich kann hier also gar nicht einfach so weg«
»Es geht um ein, zwei Tage...«
»...Und zum anderen will ich es nicht...«
Ich sah die
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