Luca's Rezepte
war eine E-Mail von Shiro, in der er anfragte, ob es für mich in Ordnung sei, wenn er seinen Aufenthalt in Japan verlängern würde. Hintergrund war ein Sprachkursus, an dem er nun schon seit einigen Wochen mit erheblichem Erfolg teilnahm. Den wollte er gerne weiter fortsetzen und zu Ende bringen.
Was sollte ich da sagen?
Ich schrieb: Ja sicher, tu das! Klar, das macht Sinn! Eine super Chance für dich, weiter so!
Aber ich dachte: Scheiße, nein! Komm zurück! Du fehlst mir. Und vor allem: Du verblasst langsam, Süßer...
Er fiel mir schriftlich um den Hals, als ich ihn in seinem Anliegen bestärkte und aus dem, was er berichtete, war es in der Tat absolut richtig, wenn er jetzt bei der Sache blieb. Auf ewig in einer Schwulenbar zu kellnern war auch nicht unbedingt die Perspektive. Das sah ich ein.
Also stürzte ich mich in meine Arbeit. Irgendwie war das wohl mein Lösungsmodell für alles: Wenn etwas passiert, was du so nicht willst, dann arbeite!
Ich entwickelte ein paar neue Sommermenüs, machte mich auf die Suche nach den dazu passenden Weinen und experimentierte in unserer Küche so vor mich hin.
Krustentiere gingen immer, also richtete ich mein Augenmerk auf Gerichte wie die Consommé von Langusten und Flusskrebsen mit ihren eigenen Agnolotti oder offene Ravioli von Hummer und Steinbutt mit Weißweinschaum, beides Vorspeisen, die perfekt in den Sommer passten.
Sie würden es lieben...
An einem Samstagmorgen überraschte Lorenzo mich mit der Neuigkeit, er habe eine neue Bleibe gefunden.
»Ich wusste gar nicht, dass du suchst...«
»Klar, ich wollte spätestens bis zu Shiros Rückkehr draußen sein...«
»Aber er kommt doch jetzt erst später«, gab ich etwas wehleidig zu bedenken.
»Macht doch nichts! Mensch freust du dich denn gar nicht...?«
Nein, ich freute mich nicht. Nicht im geringsten! Irgendwie verließen mich jetzt plötzlich alle um mich herum. Und das gefiel mir ganz und gar nicht.
Aber wir feierten seinen bevorstehenden Umzug mit einer Flasche Prosecco, die ich zur Probe eingekauft hatte.
»Es ist etwas außerhalb, aber dafür billig und mit Gartennutzung...«, erzählte er begeistert. Auch das noch!
»Wahrscheinlich unterm Dach«, unkte ich.
»Im Gegenteil. Erdgeschoss. Mit direktem Zugang zum Garten. Zwei Zimmer, eine Küche, Bad. Richtig nett...«
Ich war baff. »Und wie willst du das zahlen?«
Er grinste. »Die zweite, richtig gute Nachricht! Ricardo hat für mich was möglich gemacht.«
»Er hat dir die Wohnung organisiert?«
»Besser. Er hat für mich eine Stelle an seiner Fakultät organisiert. Für Fotografie.«
Ich konnt ’s nicht fassen. »Aber... du hast nie studiert... wie...?«
»Als wissenschaftliche Hilfskraft. Nicht als Dozent. Nicht im normalen Sinne...«
»Aber... man muss doch studiert haben, um an einer Uni zu arbeiten.«
»Ich bin freier Künstler. Zumindest bezeichnet mich Ricardo als solchen. Dann geht das. Ist das nicht großartig?«
»Das ist es...«, bestätigte ich, noch völlig überrannt von den vielen Neuigkeiten. »Warum hast du nie was gesagt...?«
»Und dann hätte es nicht geklappt? Nee, ich wollte ganz sicher sein. Und das bin ich jetzt.« Er strahlte mich an. »Luca. Für mich geht wirklich ein Traum in Erfüllung. Ich habe dich immer so beneidet, dafür, dass du genau wusstest, was du wolltest. Du konntest immer dein Ding machen. Da gab’s nie eine Frage.« Er lehnte sich zurück und trank einen großen Schluck Prosecco. »Jetzt weiß ich endlich, wie sich das anfühlt, jaah. Es ist fantastisch...«
»Und das Gusto? Die Buchhaltung?«, fragte ich egoistisch.
»Wenn du mich brauchst, bin ich da.«
Es war schon eigenartig. Eigentlich war der Job bei mir als Unterstützung für ihn gedacht gewesen, jetzt bot er mir seine Hilfe an. Ich musste das erstmal alles begreifen.
»Ich verdiene nicht viel...«, erzählte er weiter, »...aber für die Wohnung und den Rest reicht’s.«
Beziehungen. Irgendwie ging in diesem Land nichts ohne Beziehungen. Das war bei mir nicht anders. So lief es halt. So - und nicht anders.
Lorenzos Wohnung war wirklich schön.
Er zeigte sie mir voller Stolz am darauffolgenden Donnerstag. Zwar war es, wie er sagte: Man musste ein ganzes Stück Richtung Cornigliano fahren, Richtung Stadtrand also, aber dafür war sie bezahlbar und hatte Charme. Die beiden Zimmer gingen ineinander über und waren etwa gleich groß. Sie hatten einen einfachen Holzfußboden, hohe Decken und weiß gestrichene
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