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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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sich. Er hat etwas zu mir gesagt, das ich erst gar nicht verstanden habe, aber seit ein paar Tagen gehen mir seine Worte nicht mehr aus dem Kopf.«
    »Was denn?«, flüsterte ich. Meine Hände waren schweißnass.
    »Es gibt Dinge im Leben, um die man kämpfen muss, weil die Zeit, die dafür bleibt, manchmal kürzer ist, als wir glauben«, sagte Sebastian langsam. »Ich dachte erst, Tyger meinte meine Leistungen im Unterricht oder vielleicht auch meinen Wunsch, zu schreiben. Aber dann hatte ich plötzlich das Gefühl, dass er etwas ganz anderes im Sinn hatte. Oder besser gesagt, jemand anderen. Kann das sein?«
    »Ich weiß nicht«, wisperte ich. Es war ein Fehler gewesen, Sebastian anzurufen, ein furchtbarer Fehler, aus purem Egoismus entsprungen, und das hatte sich mehr als gerächt.
    »Könnten wir vielleicht bitte über etwas anderes sprechen? Über Auberginen oder . . .« Mir brach die Stimme weg.
    »Nein, Rebecca!« In Sebastians Stimme schwappte jetzt ebenfalls etwas über. »Ich hab die ganze Nacht wach gelegen und an dich gedacht.Es wurde immer schlimmer, die letzten Monate waren im Vergleich dazu ein Witz, und dass du ausgerechnet jetzt anrufst, ist für mich wie . . . wie . . .« Sebastian beendete den Satz nicht. »Jedenfalls will ich jetzt nicht über Auberginen oder Tomaten reden«, sagte er bestimmt. »Ich will wissen, wie es dir geht. Ich möchte dir helfen und . . .«
    »Scheiße!«, schrie ich. »Was glaubst du, warum ich dich angerufen habe? Ich dachte, du hilfst mir, nicht durchzudrehen, ich dachte, du lenkst mich ab, und stattdessen . . .«
    »Wovon soll ich dich ablenken?« Sebastian bohrte gnadenlos weiter. »Machst du jetzt einen auf Janne Wolff? Die verrät nämlich auch mit keinem Wort, warum sie dich bei Nacht und Nebel ans andere Ende der Welt verbannt hat. Diese ganze Aktion hatte was mit Lucian zu tun, oder? Selbst Suse schweigt sich über dieses Thema aus. Sie meint, das müsste ich dich fragen, und das tue ich jetzt. Was ist los, Rebecca? Warum bin ich seit deiner Antwortmail nicht erleichtert, sondern mach mir nur noch mehr Sorgen? Bin ich durchgeknallt? Bitte, Becks. Sprich mit mir!«
    Wow. Das hier lief so was von falsch, dass es schon wieder komisch war. Ich fing hysterisch an zu kichern.
    »Also gut, wie du willst. Ich sag dir, was los ist. Trallali, trallala, ich weiß nicht weiter, denn ich werde sterben. Und trallali, trallala, ich weiß sogar, wie, denn ich träume meinen Tod jede Nacht. Ich werde in einem Zimmer mit einem gurkengrünen Teppich und einer Blümchendecke sterben. Ich weiß nur noch nicht, wann, aber das sehe ich ja dann, wenn es so weit ist. Na, wie gefällt dir die Geschichte? Ist sie nicht todkomisch?« Ich verschluckte mich fast vor Lachen. »Hey, ich weiß noch was: Schreib es auf, bevor es zu spät ist, vielleicht ist das ein verdammt guter Stoff für eine Kurzgeschichte. Die kannst du mir dann ja widmen.« Mit diesen Worten knallte ich den Hörer auf.
    Ich atmete ein, ich atmete aus und es war ganz seltsam. Das Gespräch war völlig anders gelaufen, als ich gedacht hatte, aber der Effekt war derselbe. Ich fühlte mich plötzlich nur noch leer und zu Tode erschöpft. Ich legte mich ins Bett und war sofort eingeschlafen.
    Als ich am Morgen die Augen aufschlug, galt mein erster Gedanke Tyger. Ich hatte ihn seit dem Gespräch mit Faye nicht gesehen und eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, zur Schule zu gehen, aber jetzt wusste ich, dass das die einzige Lösung war.
    Wenn Morton Tyger keinen Vorschlag hatte, würde ich ihm wenigstens gezielt in die Fresse schlagen können, was besser war, als nichts zu tun. Ich hatte noch nie einen Menschen so gehasst wie ihn. Na ja, genau genommen war er ja auch keiner.
    In den ersten beiden Stunden hatten wir Schwimmen. Suzy und zwei andere Mädchen, die am Freitag mit mir im Englischunterricht gesessen hatten, musterten mich noch eindringlicher als an meinem ersten Schultag. Wahrscheinlich hatten sie sich am Wochenende ausgiebig über mein schräges Verhalten im Englischunterricht ausgetauscht.
    »Was sollte das?«, fragte Suzy dann auch gleich, als wir uns in der Umkleidekabine zum Schwimmen fertig machten. »Was hast du diesem Tyger am Freitag auf den Tisch gelegt und warum habt ihr geflüstert? Ich kann nicht glauben, dass wir den das ganze Schuljahr ertragen müssen. Was für ein Arschloch. Möchte wissen, ob alle Engländer so drauf sind.«
    »Bestimmt nicht«, sagte ich knapp, verstaute meine Klamotten im Spind und

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