Lucian
einschalten, wenn die Titelmelodie meiner Lieblingssoap Desperate Daughters erklang, richtig?
Ich ging ins Bad, klatschte mir kaltes Wasser ins Gesicht und lief wieder in mein Zimmer zurück.
Aber die Inschrift in meinem Anhänger? Mein Kleid, meine Schultüte, mein Dad, der englisch mit mir sprach? Warum hatte Lucian so detailgetreu danach gefragt?
Und warum konnte ich nicht endlich mit diesem ätzenden Gegrübel aufhören?
Ich stopfte den alten Krempel zurück in die Schublade, schaltete meinen CD-Player aus – den ich mitten in der Nacht leider nicht aufdrehen konnte – und durchsuchte stattdessen meinen iPod nach dem wildesten Song, den ich geladen hatte. Ich schwankte zwischen einem Remix von Funky Town und Robot Rock und entschied mich schließlich für die Radio Edition 2005 von Pump up the Jam. Dann drehte ich die Lautstärke bis zum Anschlag und tanzte zu dem Song auf meinem Bett herum, bis unter mir der Lattenrost brach.
So what! Zum Schlafen war es jetzt ohnehin zu spät – oder besser gesagt: zu früh. Es war fast halb fünf. Aber wenigstens fühlte ich mich ein bisschen besser.
Ich ging in die Küche, um mir etwas zu trinken zu holen.
Im Schlafzimmer von Janne und Spatz brannte Licht. Es sickerte durch den breiten Spalt zwischen Tür und Holzfußboden.
Ich brauchte mich nicht einmal anzustrengen, um zu lauschen. Sie sprachen leise, aber der Türspalt ließ alles durch. Jedes Wort war deutlich zu hören.
»Ich war so wütend auf dich«, sagte Janne. »Aber im Endeffekt war es klug, sie gehen zu lassen. Ich glaube, jetzt ist alles unter Kontrolle.«
»Alles unter Kontrolle?« Spatz schien ziemlich aufgebracht zu sein. »Ich fasse es nicht, dass du das sagst. Was bedeutet diese Sache mit John Boy? Und was ist mit Rebecca? Deine Tochter ist völlig verstört. Glaubst du wirklich, sie wird das auf sich beruhen lassen? Dann liegst du falsch! Sie wird versuchen, diesen Jungen wiederzufinden. Und umgekehrt.«
»Nicht nach dieser Nacht!« Janne klang energisch. »Sebastian hat genau das Richtige getan, als er Lucian auf dem Maskenball mit der Polizei gedroht hat. Gott, bin ich froh, dass Suse und er im richtigen Moment aufgekreuzt sind.«
»Aber du tust nicht das Richtige, Janne! Du musst mit ihr sprechen.«
»Nein!« Jannes Flüstern war kaum zu verstehen.
Spatz seufzte und dann wurde es plötzlich dunkel im Flur. Sie hatten das Licht ausgeschaltet.
Alles war still.
Und ich dachte nur daran, wer mich verraten hatte. Suse oder Sebastian? Sebastian oder Suse? Wer von beiden hatte mit Janne gesprochen?
Am nächsten Morgen fing ich Suse vor der Schule ab. Unter ihrer grünen Lederjacke trug sie das T-Shirt, das sie von Janne zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte.
»Gar nichts habe ich!« Suse starrte mich empört an. »Ich wusste nicht mal, dass Janne wieder zu Hause ist. Ich habe ihr nichts gesagt, kein einziges Wort! Becky, bitte! Erzähl doch mal. Was will dieser Typ von dir? Was bedeutet diese ganze Sache? Warum sprichst du nicht mit mir darüber?«
Sie machte einen Schritt auf mich zu. Ihr Blick hatte etwas Flehendes.
»Warum ich nicht mit dir darüber spreche?« Ich schnaubte. »Vielleicht aus demselben Grund, warum ich dir nichts von Michelle hätte erzählen sollen. Du wusstest genau, wie allergisch ich darauf reagiere. Und was tust du? Flötest es Dimo ins Ohr. Hast du das nötig? Hast du keine eigenen Geschichten, mit denen du angeben kannst?«
Suse zuckte zurück, als ob ich eine giftige Schlange wäre. »Ich fasse es nicht«, sagte sie langsam. »Ich fasse es nicht, wie du dich verändert hast.«
Ich schwieg. Ich wusste, dass ich gemein war. Ich wusste, dass ich Suse verletzte. Aber ich konnte nicht anders. Anstatt den Rückwärtsgang einzulegen, gab ich Vollgas.
»Und ich fasse nicht, wie ignorant du sein kannst«, konterte ich. »Du bist so mit dir und deinem honkigen Dr. No beschäftigt, dass du gar nicht raffst, was in mir vorgeht. Vielleicht ist er aus der Klapse entlaufen.« Ich äffte Suses Stimme nach. »Vielleicht hat er jemanden getötet. Wenn du mich fragst, ist dieser Typ ein Fall für die Polizei . . . Glaubst du, das hilft mir weiter? Du hast doch nicht mal versucht, mich zu verstehen! Stattdessen läufst du zu Sebastian und verpetzt mich bei ihm. Oder willst du das etwa auch abstreiten?«
Suse wurde blass, aber das hielt mich nicht davon ab weiterzupesten. »Ich brauche aber keine Petze. Ich brauche eine Freundin, auf die ich mich verlassen kann und die auf
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