Luciano
im Cockpit und pfiff leise vor sich hin, während
die beiden Unteroffiziere vom Sanitäts depot im Rumpf der Maschine
schliefen.
Harvey Grant war sechsundzwanzig, ein
kleiner Mann mit dunklen, lebensprühenden Augen. Sein Vater hatte
eine Wei zenfarm in Parker, Iowa, doch das große Vorbild des
Jungen war der jüngere Bruder des Vaters gewesen, Templeton Grant,
der als Flieger im Royal Flying Corps in Frankreich gedient hatte.
Harvey Grant lernte schon früh, daß man immer auf die Sonne
achtet und niemals allein tiefer als 10 000 Fuß über Grund
fliegt. Mit sechzehn bestand er, dank der Unterweisung durch seinen
Onkel, die Pilotenprüfung für den Alleinflug, dann ging er
nach Harvard, um dort Jura zu studieren, mehr dem Vater zuliebe als aus
eigener Neigung. Er war an der Sor bonne in Paris, als der Krieg
ausbrach, und meldete sich sofort zur Royal Air Force.
Zweimal wurde er in einer Hurricane
abgeschossen und hatte selber elf deutsche Kampfflugzeuge
heruntergeholt, ehe die Luftschlacht um England beendet war. Danach
hatte er sich zur Bomberstaffel versetzen lassen, eine erste Dienstzeit
in Wel lingtons abgeleistet, eine zweite in Lancasters, und wurde zum
Geschwaderführer befördert und mit hohen Auszeichnungen
geehrt.
Danach hatte man ihm zum 138sten
Geschwader nach Tempsford geholt, dem berühmten
»Mondscheingeschwader«, einer Spezialeinheit, die Agenten
ins besetzte Europa brachte oder wieder von dort abholte, je nachdem.
Grant hatte von Tempsford aus
über dreißig solche Einsätze geflogen, ehe er
befördert und nach Maison Blanche geschickt wurde, wo er
ähnliche Aufträge durchführte: Er flog schwarz lackierte
Halifax-Maschinen vom algerischen Festland nach Sizilien, Sardinien und
Italien.
Aber das alles lag hinter ihm. Jetzt
war er offiziell zur Bo dentruppe versetzt. Er sei zu wertvoll, als
daß man sein Leben weiterhin aufs Spiel setzen wolle, hatte der
Air Officer Com manding erklärt, während es sich nach Grants
Meinung nur um einen weiteren Schachzug des American Army Air Corps han
delte, mit dem er zum »Aussteigen« gezwungen werden sollte,
ein Los, das er um jeden Preis vermeiden wollte.
Er befand sich südwestlich der
Insel Pantelleria – es war kurz vor Einbruch der
Abenddämmerung, die schmale Mondsi chel warf bereits ein blasses
Licht über die Wolken –, als Don nergetöse die Luft
erfüllte. Die Dakota wurde so heftig ge schüttelt, daß
Grant seine ganze Kraft einsetzen mußte, um sie zu halten, als
ein dunkler Schatten backbords vorbeizog.
Er identifizierte die Maschine sofort als eine Junkers 88, ei
nes dieser scheinbar schwerfälligen,
schwarzen, zweimotorigen und von seltsamen Radarantennen starrenden
Flugzeuge, die den Bombern der Royal Air Force bei den Nachtangriffen
über Europa so schwere Verluste zugefügt hatten. Und er hatte
nichts als seine Geschicklichkeit gegen sie ins Feld zu führen,
denn die Dakota war unbewaffnet.
Die Tür zum Cockpit schwang hinter ihm auf, und die bei den Unteroffiziere lugten herein.
»Festhalten!« sagte Grant. »Ich will versuchen, ob ich ihn zu einer Dummheit reizen kann.«
Er setzte zum Sinkflug an und sah,
wie die Junkers kehrt machte und mit voller Geschwindigkeit auf ihn
zuhielt. Dabei feuerte sie, zu früh, und wegen der
überhöhten Geschwindig keit mußte sie backbords
abkippen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.
Genau das hatte Grant im Sinn gehabt.
Er setzte den Sink flug fort und war auf sechshundert Fuß, als
die Junkers von hinten angriff. Diesmal schlingerte die Dakota unter
den Ein schüssen der Bordkanone. Die Junkers kurvte jetzt nach
Steu erbord davon und zog sofort wieder gleich.
»Komm nur, Freundchen! Komm!« sagte Grant leise.
Hinter ihm erschien einer der Unteroffiziere mit blutver
schmiertem Gesicht, er hatte einen Splitter abbekommen. »Johnson hat's erwischt.«
»Okay«, sagte Grant. »Gleich geht's wieder los, aufs Gesicht legen und festhalten.«
Er war knapp fünfhundert
Fuß über den Wellen, als die Jun kers zum Gnadenstoß
ansetzte. Jetzt schätzte sie das Tempo der Dakota genau richtig
ein, glitt von hinten heran und eröffnete wieder das Feuer. Als
die Maschine unter der Wucht der Tref fer zu rütteln begann, fuhr
Grant die Bremsklappen aus.
Die Dakota schien in der Luft stehenzubleiben.
Der Pilot der Junkers kippte steil nach Steuerbord ab, um eine
Kollision zu vermeiden, und da ihm weder Platz noch Zeit für eine
Kursän derung
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