Lucky - Nur eine Frage der Zeit
küsste ihren Hals. Und plötzlich wusste sie, was sie wirklich wollte.
Sie wollte Luke. Sie wollte, dass er bereitwillig den Rest seines Lebens mit ihr teilte.
Was für ein Hirngespinst.
Ihr Problem war, dass sie einfach eine viel zu lebhafte Fantasie hatte. Es fiel ihr viel zu leicht, sich selbst einzureden, ihre vorgetäuschte Liebesbeziehung sei durch und durch echt.
Syd schloss die Augen, als Luke sie erneut küsste, leicht diesmal und auf die Lippen. Schlagartig wurde ihr klar, was wirklich ihr Problem war.
Ihr Problem war ganz einfach, dass sie ihn liebte. Wenn sie mit ihm zusammen war – also beinahe ständig –, verschwammen die Grenzen zwischen Schein und Wirklichkeit.
Ja, sie waren ein Liebespaar. Aber sie waren nicht wirklich zusammengezogen. Sie taten nur so als ob. Ja, er hatte allen seinen Freunden erzählt, er liebe sie, aber ihr hatte er das noch kein einziges Mal gesagt. Und selbst wenn er es täte, war sie nicht sicher, ob sie diesem Schürzenjäger glauben würde.
Ja, sie tanzte mit ihm auf der Hochzeit seiner Schwester, und alle sahen in ihnen ein richtiges Paar. Aber in Wirklichkeit waren sie nur Kollegen, die Freundschaft geschlossen hatten. Auch wenn diese Freundschaft bis ins Bett reichte.
Es wäre ein Fehler, irgendetwas anderes zu denken.
Dennoch … Während Syd sich zur Musik wiegte, von Lukes Armen umschlossen, wusste sie, dass sie den Fehler bereits gemacht hatte. Sie hatte sich in ihn verliebt. Jetzt blieb ihr nur noch, sich auf den kommenden Schmerz einzustellen und ihn zu ertragen. Ein Pflaster zu entfernen tat weniger weh, wenn man es schnell und entschlossen tat. Genauso würde eine schnelle Trennung weniger schmerzhaft sein.
Wenn sie den Vergewaltiger geschnappt hatten, würde sie nach New York gehen. So schnell wie nur irgend möglich.
Der Anruf kam, als Lucky und Syd die Hochzeitsfeier verließen.
Ellen und Gregory hatten sich in ihre Hochzeitsreise verabschiedet, und gegen dreiundzwanzig Uhr herrschte allgemeine Aufbruchsstimmung.
Luckys Pieper und sein Handy meldeten sich gleichzeitig.
Sein erster Gedanke war: Schlechte Neuigkeiten. Wahrscheinlich war wieder eine Frau überfallen worden. Sein zweiter Gedanke war: Gute Neuigkeiten. Vielleicht war Lucy aus ihrem Koma erwacht, oder man hatte Blue erreicht, und er war auf dem Weg nach Hause.
Die Nummer, die der Pieper anzeigte, war Friscos. Und er war auch am Telefon. “Hey”, sagte er. “Gut, dass ich dich erwische. Wir haben es geschafft: Wir haben den Kerl.”
An diese Möglichkeit hatte Lucky gar nicht gedacht, und er hätte fast das Handy fallen lassen vor Überraschung. “Wiederhol das!”
“Martin Taus”, fuhr Frisco fort. “Exnavy, leistete hier in Coronado seinen Dienst im Frühjahr und Sommer 1996. Schied Ende 1996 wegen einer Reihe kleinerer Verfehlungen aus der Navy aus, allerdings war nichts so Schwerwiegendes dabei, dass man ihn hätte unehrenhaft entlassen müssen. Er saß Anfang 1998 kurze Zeit wegen Exhibitionismus ein. Wurde bereits mindestens zweimal wegen sexueller Nötigung verhaftet, aber nicht verurteilt. Er wurde am frühen Abend von der Polizei in San Felipe verhört und hat vor zwanzig Minuten ein Geständnis abgelegt. Es gibt eine Videoaufzeichnung davon.”
Syd beobachtete Luke, Anspannung in den Augen.
“Sie haben den Vergewaltiger gefasst”, erzählte Luke ihr, obwohl er es selbst noch kaum glauben konnte.
“Sind sie sicher, dass sie den Richtigen haben?” Sie stellte die Frage im selben Moment, in dem Luke sie Frisco stellte.
“Offenbar hat er die Überfälle sehr detailliert beschrieben”, antwortete Frisco. “Chief Zale bereitet gerade eine Pressekonferenz vor, gerade noch früh genug für die Elfuhrnachrichten. Ich fahre jetzt rüber zum Revier. Können wir uns dort treffen?”
“Bin schon auf dem Weg”, sagte Lucky und beendete das Gespräch.
Syd lächelte nicht. Im Gegenteil. Sie schaute äußerst skeptisch. “Haben sie wirklich Beweise, dass dieser Typ …”
“Er hat gestanden”, unterbrach er sie. “Offenbar sehr detailliert.”
“Können wir mit ihm reden?”, fragte sie.
“Das lässt sich feststellen. Gehen wir!”
Syd schaltete den Videorekorder ab und setzte sich wieder an ihren Laptop. Sie konnte keine Sekunde länger zuhören, wie der Mann namens Martin Taus beschrieb, wie er Lucy McCoy gegen die Wand geschleudert hatte. Er kannte die Namen sämtlicher Opfer, wusste, wie schwer sie verletzt waren. Er hatte die richtige Größe, das
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