Lucy & Olivia - Die Vampirprüfung
»Es geht um Olivia«, flüsterte sie. »Sie hat aus Versehen Bethanys Getränk ausgetrunken und da war Vitavamp drin!«
Sophia bekam große Augen. »Hat sie gekotzt?«
»Schlimmer!«, erklärte Lucy. »Sie hat vorübergehend den Verstand verloren! Du musst mir helfen, sie in mein Zimmer zu schaffen!« Sie zog Sophia hinter sich her in die Küche.
Olivias Stuhl war leer, und plötzlich fühlte sich Lucys Brustkorb an, als hätte jemand ihn mit dunkelster Kohle
vollgeschaufelt. »Olivia?«, rief sie. Keine Antwort. Sie sprach ein kleines Gebet und sah in den Besenschrank, aber dort stand nichts weiter als der Besen.
»Wo ist sie?«, fragte Sophia.
»Sie ist weg«, sagte Lucy und schluckte. Sie lief in die Eingangshalle, unentschlossen, wo sie als Nächstes nachsehen sollte.
Sophia folgte ihr dichtauf. »Pssst!«, sagte sie plötzlich. »Ich höre was.«
Lucy erstarrte und lauschte angestrengt. Von oben war leise der verrückte Gesang ihrer Schwester zu hören. Lucy sprang die Treppe hoch, Sophia direkt hinter ihr her. Olivia tänzelte mit erhobenen Armen durch den Flur im zweiten Stock.
»Olivia!«, rief Lucy leise.
»Ich bin ein Häschen!«, flüsterte Olivia, dann drehte sie sich um und wackelte mit dem Hinterteil. »Hopp! Hopp! Hopp!«, sagte sie und hüpfte davon.
»Olivia!«, rief Lucy erneut und versuchte, sie zu fangen.
Lucy und Sophia hatten sie fast eingeholt, als Olivia plötzlich vor der offenen Tür des Arbeitszimmers von Lucys Vater stehen blieb, weil sie irgendetwas darin offenbar faszinierte. Lucy stürzte sich auf sie, aber Olivia sprang im letzten Moment zur Seite und Lucy landete bäuchlings auf dem Boden.
Au! Lucy krümmte sich. Während sie auf die Knie hochkam, warf sie einen Blick ins Arbeitszimmer.
Ihr Vater stand steif hinter seinem Schreibtisch und stützte seine Handflächen auf der Tischplatte ab. Er war beinahe rosa. Lucy stand schnell auf.
»Lucy«, sagte ihr Vater mit zitternder Stimme, »hier drin haben deine Gäste nicht herumzublödeln!«
»Olivia ist kein Gast«, fuhr Lucy ihn an. »Sie ist meine Schwester.« Am liebsten hätte sie geschrien: Warum akzeptierst du sie nicht endlich?, aber sie wusste, sie nahm Olivia besser mit, bevor ihr Vater merkte, in welchem Zustand sie war. Sie ging den Flur entlang zu Olivia und nahm sie sachte am Arm. »Komm mit.«
»Aber mein Ring ist da drin«, murmelte Olivia und zeigte mit einer Kopfbewegung auf das Arbeitszimmer.
Lucy warf einen Blick auf die Hand ihrer Schwester und stellte erleichtert fest, dass der Smaragdring immer noch sicher an ihrem Finger saß. »Hier ist er«, beruhigte sie ihre berauschte Schwester.
Sophia stellte sich auf Olivias andere Seite und gemeinsam führten sie sie langsam über den Flur zurück. Lucy sah ihren Vater noch nicht mal an, als sie wieder am Arbeitszimmer vorbeikamen.
Als sie endlich die Haupttreppe hinabstiegen, sah Lucy Mr Daniels auf sie zu die Treppe hochkommen. Den Bruchteil einer Sekunde lang überlegte Lucy, ob sie wegrennen sollten. Stattdessen warf sie Sophia bloß über Olivias Schulter hinweg einen resignierten Blick zu.
»Bethany hat mir erzählt, was passiert ist«, sagte Mr Daniels und zog eins von Olivias Augenlidern mit dem Daumen hoch.
»Sie haben Haare wie Einstein.« Olivia kicherte. »Bringen wir sie in die Küche«, sagte Mr Daniels geschäftsmäßig.
»Lucy, wenn du mir dabei hilfst, die Zutaten zusammenzusuchen, müssten wir eigentlich schnell ein Gegenmittel mixen können.«
Warum kann mein Dad nicht so sein wie Brendans?, dachte Lucy dankbar.
Olivia verabschiedete sich in der Eingangshalle von den Gästen. Abgesehen von der letzten halben Stunde oder so, während der sie sich offenbar total peinlich verhalten hatte, war es eine tolle Party gewesen. Ein gelungener Abschluss nach den Prüfungen!
Valencia Deborg förderte feierlich einen winzigen V-förmigen Anstecker aus einem ihrer Ärmel zutage und steckte ihn an Olivias Sweatshirt, bevor sie aus der Tür rauschte. Mr Boros schüttelte stolz ihre Hand. Und was die Daniels anging, hatte Olivia das Gefühl, sie schon ewig zu kennen. Mrs Daniels hatte gesagt, sie hoffe, dass sie sich bereit erklären würde, gelegentlich auf Bethany aufzupassen. Sie hatte auch versprochen, dass sie sich in Zukunft persönlich um die vegetarischen Hamburger kümmern würde.
Trotzdem nagte da etwas an Olivia. Es war, als hätte sie die ganze Zeit, seit sie wieder bei klarem Verstand war, etwas sagen wollen, aber ihr fiel
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