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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Stärken.
    Obwohl ich genau wußte, daß ich Gus nie wiedersehen würde, klammerte ich mich verzweifelt an den Strohhalm, es gebe eine andere Erklärung, ganz gleich, wie unwahrscheinlich sie war, und wir könnten einen neuen Anfang machen.
    Ich ging nach nebenan in den Getränkeladen. Er war voller glücklicher junger Leute, die Wein, Dosenbier und stangenweise Zigaretten kauften. Mit einem Mal beschlich mich wieder das altvertraute Gefühl, daß das Leben eine Party war, zu der man mich nicht eingeladen hatte. Solange ich mit Gus zusammen gewesen war, hatte das Gefühl, dazuzugehören, in meinem Leben eine Gastrolle gespielt, jetzt aber kam ich mir wieder vor wie ein Gespenst, das beim Fest des Lebens von draußen zusieht.
    Während ich langsam nach Hause ging und mich bemühte, das Ganze möglichst lange hinauszuzögern, überfiel mich auf einmal Panik. Ich war überzeugt, daß mich Gus genau in dem Augenblick anrief. Ich rannte die Straße entlang, stürmte in die Wohnung und lief atemlos zum Telefon. Das rote Lämpchen am Anrufbeantworter blinkte nicht und sah mich starr an, ohne auch nur ein einziges Mal zu zwinkern.
    Es dauerte unendlich lange, bis sich der Tag quälend Millimeter für Millimeter der Dunkelheit entgegengearbeitet hatte, andere Leute von ihren abendlichen Unternehmungen zurückgekehrt und ins Bett gegangen waren, die Kluft zwischen mir und allen anderen sich immer mehr verengt hatte und ich schließlich nicht mehr annahm, ich sei die einzige...
    Ich betrank mich und wählte wieder die Nummer, die mir Gus gegeben hatte. Niemand nahm ab – zum Glück. Allerdings empfand ich das in der Situation überhaupt nicht so, sondern tobte und war vor Verzweiflung und Einsamkeit außer mir. Ich wollte unbedingt mit ihm reden, denn mir war klar, wenn ich mit ihm reden könnte, würde alles wieder gut werden.
    Betrunken wie ich war, überlegte ich sogar, ob ich ein Taxi nach Camden nehmen, durch die Straßen laufen und versuchen sollte, ihn in einer der Kneipen aufzuspüren, in die er mich mitgenommen hatte. Zum Glück aber hielt mich etwas davon ab – vielleicht der mir widerwärtige Gedanke, ihn in Begleitung der geheimnisvolle Mandy anzutreffen. Eine Spur Vernunft drang durch meinen Panzer der Besessenheit.
     
    Ich erwachte in der Stille des Sonntagmorgens. Noch vor dem Aufstehen wußte ich, daß ich allein in der Wohnung war und Karen und Charlotte nicht nach Hause gekommen waren. Es war erst sieben Uhr, ich war hellwach und völlig allein.
    Womit sollte ich mich ablenken, um die Einsamkeit von mir fernzuhalten? Wie sollte ich verhindern, daß mich der Gedanke an Gus verrückt machte?
    Ich hätte lesen können, aber ich wollte nicht. Es gab keine Lektüre, nach der mir der Sinn stand. Ich hätte fernsehen können, aber mir war klar, daß ich nicht imstande wäre, mich zu konzentrieren. Ein Dauerlauf hätte meine schrecklichen Sorgen womöglich ein wenig vertrieben, aber ich schaffte es kaum, aufzustehen. Mein Körper floß geradezu über vor Adrenalin, aber ich brachte nicht genug Energie auf, das Bett zu verlassen. Ich hätte die Telefonseelsorge anrufen können, aber wie würde das klingen, wenn ich jammerte: »Mein Freund hat mich sitzenlassen, und dabei wollten wir heiraten«, wo sie es mit wirklichen Menschen und deren wirklichen Nöten zu tun hatten?
    Mit Gus’ Verschwinden war auch mein Traum zerstoben, ihn zu heiraten. Meine Phantasien aufzugeben, fiel mir fast ebenso schwer, wie den Mann aufzugeben.
    Natürlich war es meine eigene Schuld. Ich hätte Mrs. Nolans Wahrsagerei nie ernst nehmen dürfen. Erst hatte ich über Meredia und Megan gespottet, weil sie ihr Glauben geschenkt hatten – und schon kurz darauf war auch ich darauf hereingefallen.
    Statt Gus als Zufallsbekanntschaft zu behandeln, war ich fest überzeugt gewesen, er sei der Richtige und wir würden für immer zusammenbleiben.
    Ich versuchte mir einzureden, daß es eigentlich nicht meine Schuld war. Mrs. Nolan hatte meine Unsicherheit und Einsamkeit gespürt und mir gesagt, was ich hören wollte. Die Aussicht auf eine Heirat war mir nicht besonders wichtig – Sie wissen schon, das weiße Brautkleid, Streit mit meiner Mutter, Nudelsalat und so weiter –, aber die Aussicht, einen Menschen zu haben, der mich verstand, gefiel mir sehr.
    Es war wirklich meine Schuld, daß ich diesen ganzen Mumpitz ernst genommen hatte.
    Während ich im Bett lag, schwirrte mir der Kopf. Ich machte mir Vorwürfe, sprach mich frei, machte mir

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