Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
wieder Vorwürfe, lauschte, ob das Telefon klingelte, wurde von mörderischer Eifersucht auf die unbekannte Mandy gequält, hoffte, daß sie nur eine gute Bekannte war, sagte mir, Gus könne immer noch anrufen, mahnte mich, nicht töricht zu sein, überlegte, daß er doch anrufen könnte, nannte mich eine Masochistin, erhob Einspruch und erklärte, ich sei lediglich romantisch veranlagt und so weiter...
    Ich war sicher, daß ich die Leere des Sonntagmorgens noch nie zuvor so schlimm empfunden hatte. Büschel von Steppengras wehten durch die staubigen Straßen meiner Seele, die einer Geisterstadt glich.
    Wie war ich nur zurechtgekommen, bevor ich Gus kennengelernt hatte? Wie hatte ich all die Leere angefüllt? Ich konnte mich nicht erinnern, daß mir je alles so öde erschienen war, aber so mußte es wohl gewesen sein, denn ich hatte Sonntag um Sonntag ohne ihn gelebt.
    Dann begriff ich, was geschehen war. Er war in mein Leben getreten, hatte die Lücke ausgefüllt und bei seinem Weggang mehr mitgenommen, als er mitgebracht hatte. Er hatte sich mit seiner Liebenswürdigkeit einen Platz in meinem Herzen erobert, mich dazu gebracht, ihm zu trauen, und dann, als ich nicht hinsah, meine gesamte seelische Inneneinrichtung mitgehen lassen – mein inneres Wohnzimmer war völlig ausgeräumt. Wahrscheinlich war er damit in eine Kneipe in Camden gezogen und hatte dort das Ganze weit unter Marktwert verhökert. Man hatte mich hereingelegt – nicht zum ersten Mal.
    Es dauerte eine Ewigkeit, bis der Sonntag vorbeiging. Charlotte und Karen kamen nicht nach Hause. Das Telefon klingelte kein einziges Mal. Gegen neun Uhr abends brachte ich das Video zurück, holte ein neues und dazu eine Flasche Wein. Ich trank, bis ich betrunken war, und schlief dann ein.
    Dann war es Montagmorgen. Das Wochenende war vorüber, und Gus hatte nicht angerufen.

42
    A n jenem Vormittag fing in unserem Büro die für Hetty neu eingestellte Kraft an.
    Hetty war jetzt seit sechs Wochen fort – eine lange Zeit, wenn man bedenkt, daß wir uns bemühten, zu dritt die Arbeit zu tun, die zuvor eine erledigt hatte. Ivor der Schreckliche hatte die Personalabteilung gebeten, einige Wochen zu warten, bis ein neuer Mitarbeiter eingestellt wurde. Vermutlich hatte der arme Dummkopf gehofft, Hetty würde in seine pummeligen, kurzen, mit Sommersprossen übersäten rosa Arme zurückkehren.
    Aber sie lebte jetzt mit ihrem Schwager in Edinburgh – soweit man hörte, sehr glücklich –, und so mußte sich Ivor schließlich mit den Tatsachen abfinden.
    Der neue Kollege war ein junger Mann. Das war keineswegs auf den blinden Zufall zurückzuführen, wie man auf den ersten Blick annehmen konnte. O nein! Meredia hatte das eingefädelt. Das allerdings wußte ich auch nur, weil ich sie bei ihren Machenschaften ertappt hatte.
    Einige Wochen zuvor war ich, bedingt durch eine Verkettung ungünstiger Umstände – mein Zug lief im selben Augenblick ein, als ich auf den Bahnsteig trat, der Anschlußzug stand abfahrbereit usw. usw. – an einem Montagmorgen vor Arbeitsbeginn im Büro eingetroffen und hatte gesehen, daß Meredia bereits vor mir da war. Als wäre das nicht schon überraschend genug gewesen, saß sie offenbar fieberhaft an der Arbeit und sichtete einen Stapel Papiere. Einige legte sie beiseite, andere steckte sie in den Reißwolf.
    »Morgen«, sagte ich.
    »Halt die Klappe, ich hab zu tun«, knurrte sie.
    »Meredia, was machst du da?«
    »Nichts«, sagte sie und schob weiter Blätter in den Reißwolf.
    Ich wurde neugierig, denn nie und nimmer hätte sie sich an einem Montagmorgen zu dieser frühen Stunde ernsthaft ihrer Büroarbeit gewidmet.
    Ich sah mir den Stapel Papiere auf ihrem Tisch genauer an. Es waren Bewerbungen.
    »Meredia, was ist das, und woher hast du das?«
    »Es sind die Bewerbungen auf Hettys Stelle. Die Personalabteilung hat sie runtergeschickt, damit der Stinker Simmonds sie sich anschauen kann.«
    »Aber warum steckst du sie dann in den Reißwolf? Möchtest du nicht, daß die Stelle besetzt wird?«
    »Ich steck ja nicht alle in den Reißwolf.«
    »Ich verstehe.« Ich verstand nichts.
    »Nur die verheirateten Frauen«, fuhr sie fort.
    »Darf ich fragen, warum?«
    »Wozu brauchen sie ’nen Mann und ’ne Stelle?« fragte Meredia bitter.
    »Machst du Witze?« fragte ich matt. »Willst du mir erklären, du ziehst alle Bewerbungen von Ehefrauen aus dem Verkehr, weil sie verheiratet sind?«
    »Ja«, sagte sie entschlossen. »Ich stelle ein bißchen

Weitere Kostenlose Bücher