Lucy Sullivan wird heiraten
sollen. Schließlich aber lösten sie sich von meinem Rockzipfel und begannen sich abzutasten. Möglicherweise hatte Gus Jed versprochen, ihm sein neues Haschisch-Piece zu zeigen oder etwas in der Art. Danach gab es eine Weile kein Halten mehr, und ich kam an Abenden, an denen Jed mitging, kaum dazu, mit Gus zu sprechen. Die beiden steckten die Köpfe zusammen und unterhielten sich unendlich lange mit leiser Stimme, wobei es vermutlich um Musik ging. Junge Männer sprechen oft über solche Dinge. Dabei bemühten sie sich, einander mit Namen obskurer Gruppen zu übertrumpfen. In irgendeiner hatte dann jemand Gitarre gespielt, bevor er die Gruppe verlassen hatte, um in einer anderen Gitarre zu spielen. Damit konnten sie ganze Tage zubringen.
Aber immer, wenn man Jed und Gus fragte, worum es ging, sagten sie lediglich geheimnisvoll: »Das ist ein Männergespräch, davon verstehst du nichts.« Das trug ihnen ein nachsichtiges Lächeln ein, bis zu dem Abend, an dem sie es zu Charlottes Freund Simon sagten.
Unaufhörlich krittelten sie an ihm und seinen modischen, täglich wechselnden Klamotten herum, wie auch an seinem elektronischen Terminplaner und daran, daß er jedesmal ein Exemplar von Arena oder GQ dabei hatte.
Nie ließen sie sich eine Gelegenheit entgehen, den armen Simon auf die Palme zu bringen.
»Ist das Hemd neu?« fragte ihn Gus eines Abends mit einer Miene, als könne er kein Wässerlein trüben. Wenn er ein solches Gesicht machte, hatte er gewöhnlich etwas ausgeheckt.
»Ja, es ist von Paul Smith«, sagte Simon stolz und breitete die Arme aus, damit jeder es ausgiebig bewundern konnte.
»Dann sind wir Zwillinge!« sagte Gus voll falscher Herzlichkeit. »Es ist genau wie die Hemden, die ich das Stück für ein Pfund auf dem Straßenmarkt in der Chapel Street gekauft hab. Aber ich glaub nicht, daß der Kerl, von dem ich die hab, einer von den Smiths war. Sind die nicht alle letzten Monat wegen Hehlerei eingebuchtet worden? Bist du sicher, daß du es von einem Smith hast?«
»Ja«, sagte Simon verkniffen. »Ganz sicher.«
»Na ja, vielleicht sind sie wieder draußen«, räumte Gus ein. Dann wechselte er das Thema, sichtlich glücklich, Simon die Freude an seinem neuen Hemd vermiest zu haben, das er bei einem exquisiten Herrenausstatter gekauft hatte.
Dann kam der lange erwartete Abend, an dem Dennis endlich Gus kennenlernte. Er schüttelte ihm die Hand und lächelte höflich. Dann drehte er sich mit gequältem Gesichtsausdruck zu mir um und biß sich auf die Fingerknöchel. »Ein Wort unter vier Augen«, sagte er und zog mich durch die Kneipe.
»Ach Lucy«, stöhnte er.
»Was?«
Voll Verzweiflung bedeckte er sein Gesicht mit den Händen und flüsterte theatralisch: »Er ist ein Engel, ein absoluter Engel .«
»Gefällt er dir?« fragte ich mit kaum gebändigtem Stolz.
»Lucy, er ist GÖTTLICH.« Ich mußte ihm zustimmen.
»Man trifft so selten einen gutaussehenden Iren, aber wenn einer gut aussieht, dann ist er vollkommen .«
Dabei konnte Dennis das gar nicht wissen, jedenfalls nicht, wenn er sein Wissen aus dem Spiegel bezog.
Er belegte Gus an jenem Abend mit Beschlag, was mich über alle Maßen beunruhigte. Immer wieder betonte er, daß im Krieg und in der Liebe alle Mittel erlaubt sind. Jedenfalls war das sein Motto, wenn ihm jemandes Freund gefiel. Als ich später am Abend mit Gus im Bus nach Hause fuhr, sagte er: »Dennis ist ein netter Kerl. Hat er eigentlich ’ne Freundin?«
»Nein.« Konnte Gus wirklich so naiv sein?
»Eine Schande, wenn man bedenkt, was für ein wirklich reizender Junge er ist.«
Ich machte mich schon darauf gefaßt, daß mir Gus erklärte, er habe vor, sich im Laufe der Woche mit Dennis zu einem Glas Bier unter Männern zu treffen, aber glücklicherweise kam nichts in der Art.
»Wir müssen ihm jemand besorgen«, sagte Gus. »Hast du irgendwelche Freundinnen, die gerade frei sind?«
»Nur Meredia und Megan.«
»Die arme Meredia kommt nicht in Frage«, sagte er zartfühlend.
»Warum nicht?« wollte ich wissen, bereit, mich für sie in die Bresche zu schlagen.
»Liegt das nicht auf der Hand?« fragte Gus.
»Was liegt auf der Hand?« grinste ich und machte mich bereit, ihn von seinem Sitz zu schubsen.
»Na hör mal, Lucy, sag bloß nicht, daß es du es nicht gemerkt hast«, sagte er mit vernünftig klingender Stimme.
»Daß sie dick ist?« fragte ich hitzig. »Das ist ja eine tolle Einstell...«
»Nein, Dummkopf«, sagte er. »Das meine ich nicht. Großer
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