Lucy Sullivan wird heiraten
waschen und dieses und jenes erledigen.«
»Aber Lucy«, jammerte er dann. »Du wirst mir fehlen.« »Wir sehen uns doch morgen«, sagte ich mit gespieltem Ärger, während ich in Wirklichkeit entzückt war. »Du kannst doch bestimmt eine Nacht ohne mich überleben.«
Aber jedes Mal tauchte er spätestens um neun vor meiner Wohnung auf, wobei er sich vergebens bemühte, einen beschämten Eindruck zu erwecken.
»Tut mir leid, Lucy«, sagte er mit kläglichem Lächeln. »Ich weiß, daß du allein sein willst. Aber ich mußte dich einfach sehen, und wenn es nur fünf Minuten sind. Ich geh dann auch gleich wieder.«
»Nein, bleib«, sagte ich jedes Mal, was ihm sicher von vornherein klar gewesen war.
Es beunruhigte mich, daß ich es als verschwendete Zeit ansah, nicht mit Gus zusammen zu sein.
Zwar gab ich mir Mühe, das nicht zu zeigen, aber ich war verrückt nach ihm. Nach der vielen Zeit zu urteilen, die er mit mir verbrachte, schien auch er nach mir verrückt zu sein.
Der einzige Haken, sofern man das als Haken bezeichnen kann, war, daß er mir seine Liebe noch nicht gestanden hatte. Die Worte »Ich liebe dich« hatte ich von ihm bisher nicht gehört. Ich grämte mich deswegen nicht weiter – jedenfalls nicht besonders –, wußte ich doch, daß die üblichen Regeln bei Gus keine Gültigkeit hatten. Vermutlich liebte er mich und hatte einfach nicht daran gedacht, mir das zu sagen. Er war nun einmal, wie er war. Trotzdem hielt ich es für klüger, ihm nicht zu sagen, daß ich ihn liebte – obwohl das der Fall war –, bis er es mir sagte. Es wäre unvernünftig gewesen, voreilig zu sein. Immerhin war es möglich, wenn auch unwahrscheinlich, daß er mich nicht liebte, und etwas Peinlicheres gibt es ja wohl nicht.
Gern hätte ich mit ihm über unsere Beziehung gesprochen, beispielsweise über unsere gemeinsame Zukunft, aber er schnitt das Thema nie an, und mir war es unangenehm, davon anzufangen.
Ich mußte Geduld haben, aber das Warten fiel mir schwer. Wenn mir manchmal Zweifel oder Befürchtungen kamen, erinnerte ich mich an Mrs. Nolans Voraussage und dachte daran, daß ich in die Zukunft gesehen hatte und diese Zukunft Gus hieß. (Der Klugscheißer Daniel pflegte zu sagen, daß ich die Zukunft gesehen hatte, und daß die Zukunft soff.)
Ich tröstete mich damit, daß Geduld eine Tugend ist, man mit Geduld und Spucke eine Mucke fängt, oder mit den Worten des Dichters: ›Warten, warten, wenn das Herz auch bricht‹. Dafür übersah ich großzügig die Spruchweisheit, die mich dazu drängte, das Eisen zu schmieden, solange es heiß war, und dachte nicht daran, daß Hoffen und Harren manchen zum Narren macht und daß Stillstand Rückschritt bedeutet.
Ich kann mich nicht erinnern, mir während jenes wunderbaren goldenen Sommers große Sorgen über meine Zukunft mit Gus gemacht zu haben. Damals war ich überzeugt, glücklich zu sein, und das genügte mir.
51
D er Vormittag des zwölften Augusts schien sich nicht von all den strahlenden Vormittagen zu unterscheiden, die ihm vorausgegangen waren. Mit einer wichtigen Ausnahme – Gus stand vor mir auf.
Wie ungewöhnlich das war, kann man unmöglich übertrieben darstellen. Wenn ich morgens zur Arbeit ging, schlief Gus sonst tief und fest. Irgendwann im Laufe des Tages, viel, viel später, verließ er das Haus und zog die Tür hinter sich ins Schloß, nicht ohne zuvor einige Telefongespräche nach Donegal geführt und buchstäblich alles vertilgt zu haben, was sich im Kühlschrank befand. Weil die Wohnung nicht abgeschlossen war und beutelüsternen Einbrechern ein leichtes Ziel bot, kam es an solchen Tagen immer zu heftigen Auseinandersetzungen mit Karen, sobald sie nach Hause kam. Allerdings kam sie nur noch selten.
Auf keinen Fall konnte ich Gus die Wohnungsschlüssel geben. Das hätte er unter Umständen als unmißverständliche Anspielung auf ein ständiges Zusammenleben aufgefaßt, und ich wollte ihn keinesfalls verschrecken.
Karen tröstete ich mit dem Hinweis auf das in unserer Wohnung herrschende Chaos. Bei diesem Anblick würden Einbrecher, falls welche kämen, sicherlich sofort annehmen, es seien gerade erst Kollegen dagewesen. Vermutlich würden wir sogar bei unserer Rückkehr im Wohnzimmer einen neuen Fernseher und eine neue Stereoanlage vorfinden, erklärte ich Karen, die angesichts meiner lebhaften Schilderung zweifelnd die Brauen hob.
Als nun Gus an jenem Morgen früher aufstand als ich, begannen in meinem Kopf sofort die Alarmglocken zu
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