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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Exzentriker. Jetzt, da er verschwunden war, konnte ich meine eigene Einfalt kaum fassen.
    Hätte ich in der Zeitung gelesen, daß eine junge Frau (fast) fünf Monate lang mit einem Kerl zusammen war (wenn man die drei Wochen im Mai mitzählt, in denen er verschwunden war), ohne auch nur zu wissen, wo er wohnte, ich hätte sie als Schwachsinnige bezeichnet, die ihr Schicksal verdient hatte. Oder vielleicht auch nicht.
    Aber die Wirklichkeit war so ganz anders gewesen. Ich hatte mich ganz bewußt zurückgenommen, um Gus nicht zu vertreiben. Ohnehin hatte ich geglaubt, es gebe keinen Anlaß, die Sache zu forcieren, denn schließlich hatte er ganz den Anschein erweckt, als läge ihm an mir.
    Das Bewußtsein, ihn nicht erreichen zu können, war mir unerträglich, vor allem, weil ich selbst daran schuld war.
    Während der nächsten endlosen höllischen Tage tauchte er nicht wieder auf. Ich ließ jede Hoffnung fahren, ihn wiederzusehen, denn mir war etwas Entsetzliches aufgegangen: Im Grunde hatte ich damit gerechnet, daß er mich verlassen würde. Solange wir zusammen waren, hatte ich letztlich darauf gewartet.
    Mein idyllischer Sommer gründete auf Lug und Trug. Im Rückblick konnte ich die unter der ruhigen und besonnten Oberfläche verborgenen Spannungen erkennen.
    Nach Gus’ dreiwöchigem Verschwinden hatte ich mich nie wirklich sicher gefühlt. Ich hatte so getan, als fühlte ich mich sicher, weil das angenehmer war. Aber es war nie wieder so gewesen wie vorher. Durch die geänderte Situation hatte er alle Trümpfe in der Hand gehabt – er hatte mich respektlos behandelt, und ich hatte ihm das durchgehen lassen. Ich hatte ihm freie Hand gegeben, schlecht mit mir umzugehen.
    Dabei hatte er sich noch vergleichsweise anständig verhalten und mir nie offen gezeigt, daß ich letzten Endes nichts anderes war als seine Geisel. Doch die Drohung hatte fortwährend im Hintergrund gelauert – er hatte mich schon einmal verlassen und konnte es jederzeit wieder tun, wenn ihm danach war. Diese Möglichkeit hatte er wie eine Waffe gehandhabt.
    Zwischen Gus und mir hatte ein verdeckter Machtkampf stattgefunden. Er hatte mit dem Feuer gespielt, und ich hatte so getan, als ob mir das nichts ausmachte. Wie lange konnte er mich bei einer Party allein lassen, bis ich wütend wurde? Um welche Beträge konnte er mich »anpumpen«, bevor ich mich weigerte, ihm weiterhin Geld zu »leihen«? Wie heftig durfte er mit Megan flirten, wie oft mußte er ihr übers Haar streichen, bis mein gefrorenes Lächeln verschwand?
    Die aufgestaute Furcht hatte einen Großteil meiner Energie verbraucht – ständig war ich seinetwegen in Sorge, war unruhig. Jedes Mal, wenn er gesagt hatte, er wolle mich abholen oder irgendwo treffen, waren meine Nerven zum Zerreißen gespannt gewesen, bis er endlich aufgetaucht war.
    Dennoch hatte ich alle meine Fragen unter der Oberfläche gehalten und nicht zugelassen, daß sie ans Tageslicht kamen und alles verdarben.
    Ich hatte Risse zugekleistert, Befürchtungen unterdrückt und Beleidigungen hinuntergeschluckt, weil ich es der Mühe wert gehalten hatte. Und so hatte es auch ausgesehen, denn Gus und ich waren – zumindest nach außen hin – glücklich gewesen.
    Aber jetzt, da er fort war, merkte ich, daß jedes Zusammensein mit ihm von der Furcht überschattet gewesen war, es könnte das letzte Mal sein. Mich hatte eine Art Verzweiflung erfüllt, ein Bedürfnis, möglichst viel herauszuschlagen, in mein Leben so viel Gus wie irgend möglich zu stopfen und davon zu zehren, wenn er wieder auf und davon gang.

52
    I rgendwann mußte ich den anderen im Büro erklären, daß die Sache mit Gus und mir aus war. Es war grauenvoll. Jed und Meredia nahmen es ausgesprochen schlecht auf – wie Kinder, die gerade herausgefunden haben, daß es keinen Nikolaus gibt.
    »Mag uns Gus nicht mehr?« fragte Meredia mit gesenktem Kopf und leiser Stimme. Dabei zupfte sie an ihrem Rock herum, der die Größe eines Bierzeltes hatte.
    »Doch, natürlich«, versicherte ich ihr mit Nachdruck.
    »Liegt es an uns?« fragte Jed und sah so bekümmert drein wie ein Vierjähriger. »Haben wir was falsch gemacht?«
    »Natürlich nicht«, sagte ich munter. »Gus und ich können nicht mehr zusammen sein, aber...«
    Ich hörte gerade noch rechtzeitig auf, bevor ich mich hinsetzte und die beiden in die Arme nahm, um ihnen liebevoll zu erklären: »Manchmal hören Erwachsene auf, einander gern zu haben, und das ist sehr traurig, heißt aber nicht,

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