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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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läuten.
    Er saß auf der Bettkante und sagte beiläufig, während er sich die Schuhe anzog: »Weißt du, das wird ein bißchen belastend.«
    »Hm, möglich«, sagte ich, noch zu schläfrig, um meine innere Unruhe zu erkennen.
    Im nächsten Augenblick aber begriff ich, daß er nicht einfach vor sich hin plauderte, denn er sagte: »Wir sollten meiner Ansicht nach mal ’nen Gang zurückschalten.«
    Nach seinem Satz »Das wird ein bißchen belastend« hatten Schäferhunde angefangen, am Schutzzaun zu bellen. Vor allem das Wort »belastend« versetzte sie in Alarm. Als er dann noch »Wir sollten meiner Ansicht nach mal ’nen Gang zurückschalten« sagte, heulten die Sirenen, und die Lichtkegel der Suchscheinwerfer bestrichen das ganze Gelände.
    Noch als ich mich im Bett umdrehte und mich aufzusetzen versuchte, hörte ich eine Stimme in meinem Kopf sagen: ›Wir haben einen Notfall. Freund unternimmt Fluchtversuch. Ich wiederhole, Freund unternimmt Fluchtversuch.‹
    Ich kam mir vor wie in einem Fahrstuhl, der mit gefährlicher Geschwindigkeit in die Tiefe raste. Schließlich weiß jede Frau, daß im Munde eines Mannes Sprüche wie »’nen Gang zurückschalten« oder einander »nicht mehr so oft sehen« gleichbedeutend sind mit »Sieh mich noch mal gut an; es ist nämlich deine letzte Gelegenheit.«
    Ich hoffte seiner Miene entnehmen zu können, was gespielt wurde. Aber er sah mich nicht an und hielt den schwarzen Lockenkopf über die Füße gebeugt, während er sich mit noch nie dagewesenem Eifer die Schuhe zuband.
    »Steckt da was dahinter, was du nicht sagen willst?«
    »Wir sollten uns vielleicht ’ne kleine Pause gönnen«, murmelte er. Es klang, als hätte jemand es mit ihm einstudiert, als läse er es unbeholfen von einem Teleprompter ab. Es sah aus, als läse er es von seinen Schuhen ab. Damals allerdings war ich so erschüttert von der Bedeutung seiner Worte, daß mir nicht weiter auffiel, wie wenig solche Äußerungen in sein Repertoire paßten. Allein schon, daß er sich die Mühe machte, mir das Ende unserer Beziehung anzukündigen, hätte mich stutzig machen müssen, denn das entsprach ganz und gar nicht seiner sonstigen Art.
    »Aber warum nur?« fragte ich entsetzt. »Was ist passiert? Was hat sich geändert?«
    »Nichts.«
    Schließlich hob er nervös den Kopf. Seine Schuhe hatte er bestimmt vierzigmal zu- und wieder aufgeschnürt. Als sein verstohlener Blick mein Gesicht traf, wirkte er den Bruchteil einer Sekunde schuldbewußt, dann platzte er heraus: »Es ist deine Schuld, Lucy. Du hättest dich da nicht so reinsteigern sollen und nicht zulassen dürfen, daß die Sache so ernst wird.«
    Ich hatte nicht geahnt, daß Gus, wenn es um die Beendigung einer Beziehung ging, zur Schule derer gehörte, die den Angriff für die beste Verteidigung halten. Eher hätte ich angenommen, daß er einer von denen war, die sang- und klanglos von der Bildfläche verschwinden.
    Vor Benommenheit kam mir nicht einmal der Gedanke, ihn daran zu erinnern, daß schließlich er es gewesen war, der mich keine einzige Nacht allein gelassen hatte. Nicht einmal die Beine hatte ich mir enthaaren können, ohne daß er die Badezimmertür belagerte und mir durch sie hindurch zubrüllte, ich fehle ihm. Er hatte gewollt, daß ich ihm etwas vorsang und ständig gefragt, wie lange ich noch brauchen würde.
    Aber den Luxus, wütend auf ihn zu sein, konnte ich mir nicht leisten. Das mußte warten.
    Während ich herumstotterte und aufzustehen versuchte, schob er sich zur Tür und hob zum Abschied die Hand.
    »Ich geh jetzt, Lucy. Mach’s gut! Wünsch mir Glück auf dem Weg.« Seine Stimme klang munter und zuversichtlich, und er schien mit jedem Zentimeter, den er zwischen sich und mich legte, munterer und zuversichtlicher zu werden.
    »Nein, Gus. Bitte warte. Wir wollen darüber sprechen. Bitte, Gus.«
    »Ich muß jetzt gehen.«
    »Warum hast du es denn so eilig?«
    »So ist das nun mal.«
    »Könnten wir uns nicht irgendwann noch mal zusammensetzen? Ich versteh das Ganze nicht. Bitte sprich mit mir darüber.« Er sah gekränkt und verdrießlich drein.
    »Wir könnten uns doch nach Feierabend treffen«, schlug ich vor, während ich mich um Gelassenheit bemühte und darauf bedacht war, in meiner Stimme jeden hysterischen Anflug zu vermeiden. Nach wie vor sagte er nichts.
    »Bitte, Gus«, wiederholte ich.
    »Na schön«, murmelte er und schob sich aus dem Zimmer. Dann fiel die Wohnungstür ins Schloß. Er war fort, und ich fragte mich, nach

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