Lucy Sullivan wird heiraten
daß Gus euch beide nicht immer noch sehr, sehr gern hat.«
Statt dessen rief ich mit tränenerstickter Stimme aus: »Ihr seid nicht die Kinder eines Ehepaars, das sich scheiden läßt, also hört um Gottes willen auf, so zu tun!« Ein wenig gefaßter erinnerte ich sie: »Es ist meine Tragödie.«
»Vielleicht können wir ihn ja noch ab und zu sehen«, wandte sich Jed an Meredia. »Lucy braucht ja nicht dabei zu sein.«
»Vielen Dank«, sagte ich. »Als nächstes wollt ihr wahrscheinlich euer Besuchsrecht bei ihm mit mir aushandeln.« Miese Verräterschweine!
Megan, der Gefühle fremd waren, sagte knapp und mit einer wegwerfenden Handbewegung: »Ohne diesen Verlierertyp bist du eh besser dran.«
Natürlich hatte sie recht. Aber es fiel mir schwer, dafür dankbar zu sein. Von dem plötzlichen Verlust benommen torkelte ich wie ein angeschlagener Boxer durch das Leben.
Gus’ unerwarteter Weggang hatte mir einen Schock versetzt, denn nicht der kleinste Hinweis hatte angedeutet, daß sein Interesse an mir erlahmt wäre. Bis zu den letzten Minuten hatte er den Eindruck erweckt, glücklich zu sein.
Dazu hat er auch allen Grund, dachte ich mit einem Anflug von Selbstgerechtigkeit. Ich hatte mir wahrhaftig genug Mühe gegeben, ihm ein herrliches Leben zu bereiten.
Natürlich suchte ich den Fehler bei mir selbst, weil ich unter dem doppelten Nachteil litt, eine Frau zu sein und ein unterentwickeltes Selbstbewußtsein zu besitzen. Warum war er gegangen? Was hatte ich getan? Was hatte ich nicht getan?
Hätte ich es doch nur gewußt, dachte ich hilflos, dann hätte ich mir mehr Mühe geben können. Offen gestanden war das kaum möglich.
Am schlimmsten aber war, was mir bei Trennungen immer am schwersten erträglich schien – daß ich von einem Augenblick auf den anderen so viel Zeit hatte. Wie beim vorigen Mal, als er verschwunden war, tat sich ein Abgrund von Zeit vor mir auf. Man hatte mir eine ganze vierte Dimension gegeben, die ich nicht schnell genug loswerden konnte, ein Faß ohne Boden voll sich endlos dehnender Abende.
Ich konnte mich nicht erinnern, daß es je so schlimm gewesen war, aber wahrscheinlich dachte ich das jedesmal, wenn mein Herz gebrochen war.
Um einen Teil meiner überschüssigen Stunden und Minuten abzuladen, ging ich fortwährend aus, versuchte mein Elend auf Parties zu verfeiern und loszuwerden. Ich mußte einfach – ich war viel zu durcheinander, als daß ich zum Nichtstun imstande gewesen wäre. Es war mir einfach unmöglich, stillzuhalten. Aber es nützte nichts, das scheußliche Empfinden verließ mich nie. Selbst wenn ich mit vielen glücklich lachenden Menschen in Kneipen herumsaß, spürte ich die panische Angst, die durch meine Adern jagte.
Es gab fast kein Entrinnen. Nachts fand ich nur wenige Stunden Schlaf. Das Einschlafen war nicht weiter schwierig, aber ich wurde ziemlich früh wach, um vier oder fünf Uhr, und konnte dann nicht mehr einschlafen. Ich ertrug es nicht, allein zu sein, aber es gab niemanden, dessen Gegenwart ich ausgehalten hätte. Wo auch immer ich mich befand, stets wollte ich irgendwo anders sein.
Ganz gleich, mit wem ich zusammen war, ganz gleich, was ich tat, ganz gleich, wo ich war – alles war falsch, ich wollte es nicht.
Jeden Abend saß ich mit vielen Menschen beisammen und fühlte mich entsetzlich einsam.
Einige Wochen verstrichen. Vielleicht ging es mir auch ein wenig besser, aber die Veränderung war zu unbedeutend, als daß ich sie wahrgenommen hätte.
»Du wirst schon sehen, du kommst über seinen Verlust weg«, sagte jeder voll Mitgefühl. Aber das wollte ich gar nicht. Nach wie vor hielt ich Gus für den lustigsten, klügsten und verlockendsten Mann, den ich je kennengelernt hatte oder je kennenlernen würde.
Er war mein Traummann. Wenn ich über ihn hinwegkam, ihn nicht mehr wollte, würde ich einen Teil meiner selbst verlieren. Ich wollte nicht, daß die Wunde vernarbte.
Mochten die anderen sagen, was sie wollten, mir war klar, daß ich nie über Gus hinwegkommen würde. Das Gefühl des Verlusts schmerzte so sehr, daß ich mir nicht vorstellen konnte, es nicht mehr zu spüren.
Außerdem dachte ich immer noch an Mrs. Nolan und ihre verdammte Voraussage. Es fiel mir schwer, all die Zeichen zu akzeptieren, die mich förmlich mit der Nase darauf stießen, daß Gus nicht der Richtige für mich sei, denn es war angenehmer zu glauben, es stehe in den Sternen, daß wir zusammengehörten.
»Was für ein Scheißkerl, dieser Gus,
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