Lucy Sullivan wird heiraten
lebe?«
»Immerhin ist es möglich, daß du nach einer Weile nicht mehr bei ihm leben willst«, gab er zu bedenken.
»Red keinen Quatsch«, sagte ich.
»Zum Beispiel könnte deine Mutter zurückkommen und sich mit ihm vertragen«, sagte er. Der Gedanke beunruhigte mich.
»Sehr unwahrscheinlich«, stieß ich hervor.
»Na gut, und was ist, wenn du in der Stadt bist, die letzte U-Bahn verpaßt und nicht ein Vermögen für ein Taxi zurück nach Uxbridge ausgeben willst? Wäre da eine kleine Dependance in Ladbroke Grove nicht vernünftig?« fragte er.
»Aber Daniel«, sagte ich verzweifelt, »ich gehe abends nicht mehr aus. Dieser Lebensabschnitt ist für mich abgeschlossen. Noch ’nen Schluck?«
»Ja, bitte. Ich mach mir große Sorgen um dich«, fuhr er fort und setzte sein besorgtes Gesicht auf.
»Laß es gut sein«, sagte ich ärgerlich und verstört. »Und verschon mich mit deiner verständnisvollen Miene. Ich bin keine von deinen... keins von deinen... Weibern. Dir scheint nicht klar zu ein, wie ernst dieser Einschnitt im Leben unserer Familie ist. Meine Mutter hat meinen Vater verlassen, und ich habe eine Verantwortung zu übernehmen.«
»Jeden Tag verlassen Mütter von Leuten die Väter von Leuten«, sagte Daniel. »Und die Väter kommen gut zurecht. Sie sind nicht darauf angewiesen, daß ihre Töchter alles aufgeben und so tun, als wären sie ins Kloster gegangen.«
»Ich will das aber tun, und es ist kein Opfer für mich. Ich muß es tun, mir bleibt keine Wahl. Es ist mir egal, ob ich nicht mehr ausgehen und mich amüsieren kann. Außerdem hab ich mich sowieso nie amüsiert.«
Fast hätte mir die Vorstellung so großer Selbstlosigkeit und töchterlicher Hingabe die Tränen in die Augen getrieben.
»Bitte, Lucy, warte wenigstens einen Monat oder so.« Er sah nicht so bewegt aus, wie ich mich fühlte.
»Von mir aus«, stimmte ich zu.
»Ist das ein Versprechen?«
»Ich glaub schon.«
Dann sah ich Daniel richtig an. Großer Gott, sah er gut aus! Fast hätte ich mein Whiskeyglas umgestoßen.
Ich konnte es gar nicht abwarten, daß er mit seinen Belästigungen anfing. Ich war so sicher, daß er mit seinem Besuch kein anderes Ziel verfolgt hatte, als mich abzuknutschen, und der Teufel sollte mich holen, wenn er nach Hause gehen würde, ohne es zu versuchen.
66
W as ich als nächstes tat, entsprach eigentlich überhaupt nicht meinem Wesen. Ich denke, daß der viele Alkohol daran schuld war. Zusammen mit dem Trauma. Hinzu kam, daß ich schon ewig nicht mehr mit einem Mann im Bett gewesen war.
Im wirklichen Leben gibt es die Art von Willenskraft nicht, die man braucht, um sich von einem Menschen fernzuhalten, auf den man richtig scharf ist, weil man weiß, daß er nicht gut für einen ist. Jedenfalls in meinem Leben nicht. Mein Herz regierte meinen Verstand. Meine Begierde regierte meinen Verstand.
»Vielleicht ist es an der Zeit, daß ich anfange«, sagte ich mit Betonung.
»Womit willst du anfangen?«
»Damit, Spaß zu haben.«
Zielstrebig – wenn auch ein bißchen wacklig – stand ich auf, hielt Daniels Blick stand und ging um den Küchentisch herum zu ihm. Während er dasaß und mich unsicher ansah, ließ ich verführerisch eine Haarsträhne über ein Auge baumeln, schob mich mit lüsternen Bewegungen auf seinen Schoß und legte ihm die Arme um den Hals.
Ich näherte mein Gesicht dem seinen.
Großer Gott, er war wirklich hinreißend – man sehe sich nur den schönen Mund an! Jede Sekunde würde er mich jetzt küssen. Was ich brauchte, war ein hemmungsloses Austoben und viel Zuneigung. Jemand mußte sich richtig um mich kümmern. Wer hätte das besser gekonnt als Daniel?
Natürlich war ich nicht in ihn verliebt. Verliebt war ich in Gus. Aber ich war eine Frau, und ich hatte meine Bedürfnisse. Warum dürfen nur Männer ihren niederen Trieben nachgeben? Auch mir war danach.
»Lucy, was tust du da?« fragte er.
»Wonach sieht’s denn aus?« fragte ich. Ich versuchte, meine Stimme rauchig und verführerisch klingen zu lassen.
Er legte seine Arme nicht um mich. Ich schob mich ein bißchen näher an ihn.
»Aber du hast es deinem Vater versprochen.« Er sah besorgt drein.
»Nein, das warst du.«
»Ich? Von mir aus hab ich es deinem Vater versprochen.«
»Und du hast gelogen«, sagte ich. Mit schwüler Stimme. Diese Verführerinnen-Masche machte Spaß, fand ich, und sie war bemerkenswert einfach.
Ich freute mich richtig darauf. Ich würde mich amüsieren, wie schon seit Ewigkeiten
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