Lucy Sullivan wird heiraten
daß wir saßen, nach meiner Geldbörse, wie ich es bei Gus immer hatte tun müssen. Bei jedem, dachte ich düster. Doch statt mir wie sonst zu sagen, was er haben wollte, sprang er auf und schrie förmlich: »NEIN, NEIN, kommt überhaupt nicht in Frage.«
»Was?« fragte ich leicht erstaunt.
»Steck dein Geld ein, steck dein Geld ein!« drängte er mich und machte dabei eine weit ausholende Bewegung mit seinem Arm, so ungefähr wie der betrunkene Onkel bei einer Hochzeitsfeier. »Diese Runde geht an mich.«
Es war, als käme die Sonne hinter den Wolken hervor – Gus hatte Geld. Alles würde gut sein, Gus würde sich um mich kümmern.
»Wie du willst«, sagte ich mit einem Lächeln.
»Ich bestehe darauf«, sagte er laut und machte eine Handbewegung in Richtung auf meine Handtasche.
»Schön«, sagte ich.
»Ich sehe es als Beleidigung an, wenn du mich nicht zahlen läßt. Als persönliche Kränkung, wenn du mir nicht erlaubst, diese Runde zu zahlen«, wiederholte er großzügig.
»Ich sag ja gar nichts«, antwortete ich.
»Ach so, na gut.« Es klang ein wenig gekränkt. »Was möchtest du?«
»Einen Gin Tonic«, murmelte ich bedrückt.
Er brachte meinen Gin und für sich selbst ein großes Bier und ein Glas Whiskey. Sein Gesicht war rot vor Ärger.
»Großer Gott«, klagte er. »Weißt du, was die Halsabschneider für den Gin Tonic verlangen?«
Nicht so viel, wie ich bei der nächsten Runde für dich ausgeben muß, dachte ich. Warum mußt du immer zwei verschiedene Sachen haben, wo sich alle Welt mit einem Getränk begnügt?
Aber ich sagte lediglich leise, »tut mir leid«, weil ich uns den Abend nicht verderben wollte, auf den ich mich so gefreut hatte.
Seine schlechte Laune hielt nie lange an. Auch diesmal nicht.
»Prost, Lucy.« Lächelnd stieß er mit mir an, sein Bierglas und mein halsabschneiderischer Gin.
»Prost«, sagte ich und war bemüht, meine Stimme so klingen zu lassen, als meinte ich es ernst.
»Ich trinke, also bin ich«, verkündete er mit breitem Grinsen und leerte sein Halbliterglas in einem Zug zur Hälfte.
Ich lächelte, aber es kostete mich Mühe. Gewöhnlich entzückten mich seine munteren Bemerkungen. Nicht an jenem Abend.
Es wurde nicht so, wie ich es gern gehabt hätte.
Ich wußte nicht, worüber ich mit Gus reden sollte, und ihm schien am Reden überhaupt nichts zu liegen. Voll Sehnsucht mußte ich daran denken, daß wir früher immer so viel miteinander zu reden gehabt hatten. Mit einem Mal herrschte Unbeholfenheit und angespanntes Schweigen – jedenfalls, was mich betraf.
Verzweifelt wollte ich alles richtig machen, und die Spannung auflösen, die wie eine Schranke zwischen uns stand, aber ich brachte es nicht über mich, eine Unterhaltung in Gang zu bringen.
Auch Gus unternahm keinen Versuch in dieser Richtung. Ihm schien das Schweigen nicht im geringsten aufzufallen. Meine Anwesenheit übrigens auch nicht, merkte ich nach einer Weile.
Er saß mit seinen Gläsern und seiner Zigarette da, ein Mann, der im Frieden mit sich selbst und der Welt lebt, behaglich, selbstzufrieden, sah sich im Lokal um, nickte und zwinkerte Bekannten zu, beobachtete, was um ihn herum vorging. Er war denkbar entspannt.
Grinsend leerte er seine beiden Gläser im Rekordtempo, ging an den Tresen zurück und holte sich Nachschub.
Mir bot er nichts an. In dem Augenblick, in dem ich darüber nachdachte, fiel mir auf, daß er das kaum je getan hatte. Aber während mir das früher nichts ausgemacht hatte, empfand ich es jetzt als kränkend.
Wir saßen schweigend da, ich stumm von unerfüllter Erwartung, während er erneut seine beiden Gläser leerte und dazu eine Zigarette rauchte. Dann schüttete er den verbleibenden Viertelliter Bier mit einem Schluck in sich hinein und stieß hervor, bevor er ihn ganz hinuntergeschluckt hatte: »Du bist dran.«
Wie ein Roboter stand ich auf und fragte ihn, was er wolle.
»’ne Halbe und ’nen Whiskey«, sagte er mit der größten Selbstverständlichkeit.
»Sonst noch was?« fragte ich sarkastisch.
»Vielen Dank, Lucy«, sagte er. Es klang begeistert. »Braves Mädchen. Ich könnte ’n paar Fluppen brauchen.«
»Fluppen?«
»Zigaretten.«
»Welche Marke?«
»Benson & Hedges.«
»Wie viele? Fünf Stangen?«
Er schien das äußerst lustig zu finden. »’ne Schachtel reicht, außer du willst mir unbedingt mehr spendieren.«
»Nein, will ich nicht«, sagte ich kalt.
Während ich am Tresen wartete, überlegte ich, warum ich so wütend war. Es
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