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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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gesagt, er sei ein Scheusal und ihm verziehen. Damit war jetzt Schluß.
    Ich sagte nichts. Ich brachte kein Wort heraus. Wirklich nicht. Ich war darüber hinaus, mich zu ärgern. Ich kam mir vor wie eine Idiotin. Ich schämte mich zu sehr über mich selbst, als daß ich wütend gewesen wäre. Ich war es nicht wert, mich zu ärgern.
    Der ganze Abend war eine Übung in Schadensbegrenzung gewesen, bei der ich versucht hatte, das Ausmaß meines Argers vor mir selbst zu verbergen. Jetzt sah ich nur allzu deutlich, wie entsetzlich das alles war.
    Warum kommt es mir so vor, als gehe es mir immer wieder so? fragte ich mich. Und als ich mein Leben vor meinem inneren Auge Revue passieren ließ, erkannte ich, daß es mir deswegen so vorkam, weil ich tatsächlich immer wieder in die gleiche Falle tappte.
    Es ging mir täglich mit meinem Vater so. Ich nahm finanzielle Schwierigkeiten in Kauf, um ihm Geld geben zu können. Kein Wunder, daß mir das Muster so vertraut vorkam.
    Hatte sich nicht auch Gus immer darauf verlassen, daß ich ihn finanzierte? Nie hatte er Geld. Anfangs hatte ich ihm gern unter die Arme gegriffen. Ich hatte das Gefühl, ihm damit einen Gefallen zu tun, hatte gemeint, er brauche mich.
    Als mir das bewußt wurde, wurde mir übel. Ich war ein Dummkopf, eine verdammte Närrin. Jeder wußte das, nur ich nicht. Mich konnte man leicht anpumpen. Die gute alte Lucy, sie braucht so dringend Liebe und Zuneigung, daß sie bereit ist, sie zu kaufen. Sie schenkt noch das letzte Hemd her, weil sie überzeugt ist, daß der andere es mehr verdient als sie. Bei Lucy brauchst du nie zu hungern, nicht mal dann, wenn sie selbst nichts zu beißen hat. Na und? Kommt es auf sie denn an?
    Gus war nicht der einzige meiner Freunde gewesen, den ich finanziell unterstützt hatte. Die meisten waren arbeitslos gewesen, und wenn einer Arbeit hatte, war er trotzdem grundsätzlich mit leeren Taschen aufgetaucht.
    Den Rest des Abends hindurch kam ich mir vor, als befände ich mich außerhalb meines Körpers und betrachtete mich und Gus. Er ließ sich nach allen Regeln der Kunst vollaufen.
    Ich hätte aufstehen und gehen sollen, aber ich brachte es nicht fertig. Was ich sah, faszinierte mich, stieß mich ab, entsetzte mich, aber ich konnte nicht wegsehen.
    Er verbrannte mir die Haut am Oberschenkel mit seiner Zigarette und merkte es nicht einmal. Auch daß er einen halben Liter Bier über mich goß, fiel ihm nicht auf. Er sprach verwaschen, erzählte Unsinn, begann Geschichten, verhedderte sich in ihnen und vergaß sie. Er sprach mit dem Paar am Nebentisch und redete auch dann weiter, als deutlich wurde, daß er die beiden belästigte.
    Er nahm eine Fünf-Pfund-Note aus der Tasche, obwohl er gesagt hatte, er habe kein Geld mehr, und unterbrach den Mann und die Frau am Nebentisch noch einmal, indem er ihnen mit dem Geldschein zuwedelte und brüllte: »Kommt her, ich zeig euch ein Foto von meiner Freundin. Es ist an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag aufgenommen. Ist sie nicht süß?«
    Über derlei Firlefanz hatte ich früher hemmungslos lachen können. Jetzt berührte es mich peinlich und langweilte mich zum Schluß nur noch.
    Je mehr er sich betrank, desto nüchterner wurde ich. Ich sagte so gut wie nichts, und auch die wenigen Worte nahm er entweder nicht wahr, oder sie waren ihm gleichgültig.
    War er immer so gewesen? überlegte ich. Die Antwort lautete selbstverständlich ja. Er hatte sich nicht verändert. Wohl aber ich. Ich sah die Dinge anders als früher.
    Für ihn war meine Anwesenheit nicht weiter von Bedeutung. In seinen Augen war ich nichts als der Dukatenesel.
    Daniel hatte recht gehabt. Als ginge es mir nicht schon schlecht genug, mußte ich mir eingestehen, daß das selbstgefällige Schwein recht gehabt hatte. Er würde es mir immer wieder unter die Nase reiben. Vielleicht aber doch nicht – so selbstgefällig wie früher einmal war er nicht mehr. Er war eigentlich gar nicht richtig selbstgefällig. Er war nett. Zumindest spendierte er mir gelegentlich etwas zu trinken. Und lud mich manchmal zum Essen ein...
    Über eine Stunde lang saß ich vor einem leeren Glas. Gus merkte es nicht.
    Er ging auf die Toilette, blieb zwanzig Minuten weg und gab weder eine Erklärung ab, noch entschuldigte er sich, als er schließlich zurückkam. An seinem Verhalten war nichts ungewöhnlich. So war er immer gewesen.
    Irgendwie zog ich Männer an, die viel tranken und mich ausnutzten. Ich konnte nicht verstehen, wie es dazu gekommen war, aber

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