Lucy Sullivan wird heiraten
mal einer an.«
»Zusätzlich zur Wascherei für die Kirche am Sonntag und Mittwoch.«
»Soso!«
»Die haben nämlich den kleinen Supermarkt zugemacht.«
»Aha.« Ich war so wütend, daß ich nicht mit ihr reden wollte.
»Deshalb war ich froh, das in der Reinigung zu kriegen«, fuhr sie fort. »Die paar Kröten kann ich gut brauchen.«
»Mhm.«
»Ich hab also mit dem Putzen im Krankenhaus, dem Blumenschmuck in der Kirche und dem Ausflug, den ich mit Father Colm vorbereite, ganz schön was um die Ohren.«
Ich haßte es, wenn sie so sprach. Es war fast schlimmer, als wenn sie bitter und gemein war. Wie konnte sie erwarten, daß ich nach allem, was sie mir gerade an den Kopf geworfen hatte, plötzlich ein zivilisiertes Gespräch mit ihr führte.
»Und geht es dir gut?« fragte sie unbeholfen.
Am liebsten hätte ich gesagt: »Um so besser, je weniger ich dich sehe«, schluckte es aber hinunter.
»Ach doch«, brachte ich heraus.
»Wir haben dich schon ewige Zeiten nicht gesehen«, sagte sie in einem Ton, der munter und eine Spur frotzelnd klingen sollte.
»Kann schon sein.«
»Warum kommst du nicht nächste Woche einen Abend bei uns vorbei?«
»Mal sehen«, sagte ich und spürte, wie mich Panik überfiel. Ich konnte mir nichts Schlimmeres vorstellen, als einen Abend in Gesellschaft meiner Mutter.
»Donnerstag«, sagte sie in entschiedenem Ton. »Bis dahin hat dein Vater kein Geld mehr, also haben wir gute Karten, daß er nüchtern ist.«
»Bis Donnerstag also«, sagte sie abschließend. »Ich muß jetzt wirklich aufhören.«
Sie bemühte sich, gut gelaunt und freundlich zu klingen, aber man merkte die mangelnde Übung. »Sicher stehen all die... yuppies oder wie die heißen, die in den neuen Stadtvillen wohnen, schon vor der Reinigung Schlange, weil sie ihre schicken Armada-Anzüge, ihre teuren Seidenhemden und was weiß ich abholen wollen. Hast du gewußt, daß sich manche sogar die Schlipse reinigen lassen? Ich frage dich! Ihre Schlipse! Hat man Töne? Gut und schön für Leute, die zuviel Geld haben...«
»Du mußt dann ja wohl aufhören«, sagte ich trübselig.
»Alles Gute, und bis Donn...« Ich knallte den Hörer auf die Gabel. »Und es heißt Armani !« brüllte ich ihn an.
Mit Tränen in den Augen sah ich Megan und Meredia an, die während des ganzen langen Gesprächs schweigend und betreten dagesessen hatten.
»Da seht ihr, was ihr angestellt habt, ihr blöden Kühe!« schnaubte ich, von den heißen Zornestränen überrascht, die mir über das Gesicht liefen.
»Tut mir leid«, flüsterte Meredia.
»Mir auch, Lucy«, murmelte Megan. »Es war Elaines Idee.«
»Hör doch endlich mit dem Quatsch auf«, zischte Meredia. »Ich heiße Meredia, und du hattest den Einfall.« Ich beachtete keine von beiden.
Sie waren vom Ausmaß meines Zorns verblüfft und schlichen auf Zehenspitzen. Ich wurde kaum je wütend. Jedenfalls glaubten sie das. In Wirklichkeit passierte mir das oft, aber ich ließ es mir nur äußerst selten anmerken. Ich fürchtete viel zu sehr, andere könnten mich nicht mehr mögen, wenn ich auf Konfrontationskurs zu ihnen gehen würde. Das hatte Vorzüge und Nachteile. Zu den Nachteilen gehörte, daß sich die Säure durch meine Magenwand gefressen haben dürfte, bevor ich dreißig bin, der Vorteil aber war, daß man mich bei den seltenen Gelegenheiten ernst nahm, bei denen ich meinem Zorn die Zügel schießen ließ.
Am liebsten hätte ich den Kopf auf die Tischplatte gelegt und geschlafen. Statt dessen entnahm ich meiner Handtasche einen Zwanzig-Pfund-Schein und steckte ihn in einen Umschlag, den ich an Dad adressierte. Wenn Mum nicht mehr im Supermarkt um die Ecke arbeitete, dürfte das Geld zu Hause noch knapper sein als sonst.
Die Nachricht, daß ich nicht heiraten würde, verbreitete sich in der Firma mindestens ebenso schnell wie die von meiner angeblichen Heirat. Ein endloser Zug von Leuten kam unter den unwahrscheinlichsten Vorwänden in mein Büro. Es war ein Alptraum. Kollegen, die auf den Gängen beieinanderstanden, stellten ihre Unterhaltung ein, wenn ich vorüberkam und lachten hinter meinem Rücken. In der Personalabteilung hatte wohl jemand angefangen, Geld für Geschenke zu sammeln, und als es nun zurückgegeben werden sollte, brach ein häßlicher Streit aus, weil viel mehr Geld zurückgefordert wurde als gespendet worden war. Zwar konnte ich nichts dafür, hatte aber doch irgendwie das Gefühl, daß es meine Schuld war.
Der entsetzliche Tag schien nie
Weitere Kostenlose Bücher