Lucy Sullivan wird heiraten
leichtem Ärger begriff ich, daß sogar ich ihr allmählich glaubte. Ich war also keine Spur besser als Megan und Meredia.
Ärgerlich befahl ich mir, mich zusammenzureißen, und sagte mir, daß ich niemanden heiraten würde, schon gar nicht Adrian. Es würde nie gut gehen.
Erstens war da die finanzielle Seite. Ich wußte nicht, wieviel er verdiente, aber besonders üppig konnten seine Einnahmen nicht sein – auf keinen Fall viel mehr als mein Hungerlohn. Man konnte mir bestimmt nicht vorwerfen, daß ich hinter dem Geld her war, aber wie sollten wir – überlegte ich – mit unserem gemeinsamen Einkommen eine Familie ernähren? Und was wäre mit unseren Kindern? Adrian schien an sieben Tagen die Woche zwanzig Stunden täglich zu arbeiten, so daß sie ihren Vater nie zu sehen bekommen würden.
Vermutlich würde ich ihn nicht einmal so lange zu Gesicht bekommen, daß er mich auch nur schwängern konnte. Na ja.
Adrian hatte meine Kundennummer eingetippt, die er auswendig wußte und erklärte mir, daß ich für eine Kassette nachzahlen müßte, die vor zehn Tagen entliehen und nicht zurückgegeben worden war.
»Tatsächlich?« fragte ich und erbleichte, als ich daran dachte, wieviel ich ihm schuldete und daß ich möglicherweise gar nicht wieder aus dem Laden herauskäme.
»Ja«, sagte er mit besorgtem Blick. »Das sieht dir aber gar nicht ähnlich, Lucy.«
Das stimmte. Ich tat nie etwas Unrechtes, denn ich hatte viel zu viel Angst, jemanden damit zu ärgern oder dafür getadelt zu werden.
»Großer Gott«, sagte ich beunruhigt. »Ich kann mich nicht mal erinnern, in den letzten vierzehn Tagen was geholt zu haben. Was ist es denn?«
»Meine Lieder – meine Träume.«
»Ach so«, sagte ich bekümmert, »das hab ich nicht geholt. Das war bestimmt Charlotte mit meiner Karte.«
Mir rutschte das Herz in die Hose. Das hieß nämlich, daß ich Charlotte Vorwürfe machen mußte, weil sie jemanden getäuscht hatte. Außerdem würde ich die Strafgebühr aus ihr herausbekommen müssen. Zähneziehen dürfte einfacher sein.
»Aber warum, ausgerechnet Meine Lieder – meine Träume?« wollte Adrian wissen.
»Ihr Lieblingsfilm.«
»Tatsächlich? Tickt die nicht ganz richtig?«
»Ach was«, nahm ich sie in Schutz. »Sie ist ganz bezaubernd.«
»Na hör mal«, sagte Adrian abschätzig. »Die muß ziemlich dämlich sein.«
»Nein«, beharrte ich, »nur ein bißchen jung.« Und vielleicht eine Spur dämlich, dachte ich. Aber das brauchte ich Adrian nicht auf die Nase zu binden.
»Wenn sie älter als acht ist, fällt sie nicht mehr unter ›ein bißchen jung‹,« schnaubte Adrian. »Wie alt ist sie?«
»Dreiundzwanzig«, murmelte ich.
»Alt genug, um es besser zu wissen«, befand er. »Bestimmt hat sie ’ne rosa bezogene Steppdecke und so alberne Pantoffeln mit Figuren drauf«, fügte er hinzu, wobei er seinen Mund vor Abscheu verzog. »Außerdem mag sie Kinder und Tiere und steht sonntags früh auf, um im Fernsehen Das kleine Haus in der Prärie nicht zu verpassen.«
Wenn er geahnt hätte, wie nahe er der Wahrheit war!
»Man kann eine Menge über Leute sagen, wenn man sich ansieht, was für Videos sie sich aussuchen«, erklärte er. »Wieso läuft das überhaupt auf deine Karte?«
»Weil du ihre eingezogen hast. Weißt du das nicht mehr?«
»Ist das etwa die Blonde, die Autos, Eisenbahnen und Flugzeuge mit nach Spanien genommen hatte?« fragte Adrian, und seine Stimme bekam einen beunruhigten Unterton. Entsetzt begriff er, daß er eins seiner kostbaren Videos der widerwärtigen jungen Frau anvertraut hatte, die einen seiner Schätze quer durch Europa geschleppt und sich nach der Rückkehr geweigert hatte, die Strafe zu zahlen. Ihm dämmerte, daß sie es irgendwie geschafft hatte, die von ihm verhängte Sanktion zu unterlaufen.
»Ja.«
»Ich verstehe gar nicht, wieso ich die nicht erkannt haben soll«, sagte er. Er wirkte verstört.
»Schon gut, schon gut«, sagte ich, und wollte ihn beruhigen, damit ich nach Hause gehen konnte. »Ich bring’s dir zurück, und ich zahl auch die Strafe.«
Ich hätte mich bereit erklärt, was auch immer zu bezahlen, nur um endlich gehen zu können.
»Nein«, sagte er, »bring’s einfach wieder.« Es klang wie im Fernsehen der tränenreiche Appell einer Mutter an die Entführer ihres Kindes.
»Bring’s einfach wieder«, wiederholte er. »Mehr verlang ich nicht.«
Ich ging. Ich war erschöpft. So viel zu meinem Wunsch, mit niemandem zu reden.
Auf keinen Fall würde
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